Kommentar
1. Der Grund und Boden eines Betriebs ist grundsätzlich mit den tatsächlichen Anschaffungskosten zu bilanzieren; statt der Anschaffungskosten kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden ( § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ). Es wird vermutet, daß der Teilwert den Anschaffungskosten entspricht und sich zu einem späteren Zeitpunkt mit den Wiederbeschaffungskosten deckt. Bei einem Grundstück lassen sich die Wiederbeschaffungskosten aus dem Verkehrswert ableiten.
2. Der Verkehrswert (gemeiner Wert) unbebauter Grundstücke ist entweder unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke oder auf der Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten) oder – in Ausnahmefällen – durch Einzelgutachten zu ermitteln.
3. Die Ableitung des Bodenwerts aus Verkaufspreisen und aus Richtwerten setzt normale Preisbildungsverhältnisse voraus. Der gemeine Wert ( § 9 Abs. 2 S. 1 BewG ) bzw. der Verkehrswert (§ 194 BauGB) ist der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis.
4. Bei der Ermittlung des Teilwerts eines Grundstücks sind Vorzugspreise , die eine Gemeinde Erwerbern vergleichbarer Grundstücke aus ansiedlungspolitischen Gründen einräumt, nur zu berücksichtigen, wenn die Gemeinde dadurch nachhaltig, über längere Zeit und mit in etwa gleichbleibenden Beträgen in das Marktgeschehen eingreift, so daß zum Bilanzstichtag auch andere Eigentümer ihre Grundstücke nicht teurer verkaufen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.09.1994, IV R 16/94
Anmerkung:
Die Inhaberin einer Großhandlung hatte im Jahre 1974 ein 3.000 qm großes Grundstück zum Preis von 25 DM/qm erworben und im Jahre 1975 mit einem Büro- und Lagergebäude bebaut. In ihrer Bilanz zum 31.12. 1986 schrieb sie den bis dahin mit den Anschaffungskosten bilanzierten Wert des Grund und Bodens auf einen Teilwert in Höhe von 15 DM/qm ab. Die Teilwertabschreibung begründete sie mit dem Hinweis, daß die Stadt ihren Preis für voll erschlossenes Industriegelände auf 15 DM/qm gesenkt habe .
Der Streit ging um die Frage, ob die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ( § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ) gerechtfertigt war. Hierzu hätte es des Nachweises bedurft, daß der Verkehrswert des Grundstücks am Bilanzstichtag 31. 12. 1986 unter die Anschaffungskosten gesunken ist. Die Entscheidung des BFH läßt erkennen, daß an einen solchen Nachweis erhebliche Anforderungen gestellt werden. Zur Wertermittlung sind in erster Linie Einzelverkaufspreise vergleichbarer Grundstücke heranzuziehen. Wenn es daran fehlt, können auch Bodenrichtwerte – das sind die aufgrund von Kaufpreissammlungen ermittelten durchschnittlichen Werte (§ 196 Abs. 1 S. 1 BauGB) – ausreichen. Nur ausnahmsweise kann der Nachweis auch durch Einzelgutachten geführt werden.
Im vorliegenden Fall mußte geprüft werden, ob der Verkehrswert von Grundstücken dadurch beeinflußt sein kann, daß eine um die Ansiedlung von Industriebetrieben bemühte Gemeinde Grundstücke zu Vorzugspreisen verkauft. Nach der Entscheidung des BFH decken sich solche Vorzugspreise in der Regel nicht mit dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis ; sie beruhen vielmehr auf ungewöhnlichen Umständen, die bei der Ermittlung des Verkehrswerts nur dann berücksichtigt werden, wenn dadurch das allgemeine Preisniveau nachhaltig verändert wird.