Leitsatz
1. Die in dem BMF-Schreiben vom 14.01.2003, IV A 6 ‐S 2134‐ 52/02 dargestellte Ermittlung des abzuspaltenden Buchwerts der Milchlieferrechte zum 01.07.1970 basiert auf einer vertretbaren sach- und wirklichkeitsgerechten Schätzung und kann deshalb vom FG im Rahmen der ihm eigenen Schätzungsbefugnis herangezogen werden.
2. Die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG ist bei der Entnahme bzw. der Veräußerung der Milchlieferrechte flurstücksbezogen anzuwenden.
Normenkette
§ 55 Abs. 1 und Abs. 6 EStG, § 96 Abs. 1, 2. Halbs. FGO, § 162 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Im Zusammenhang mit der Veräußerung seiner Hofstelle erklärte ein Landwirt zum 01.07.1998 die Betriebsaufgabe. Die Milchlieferrechte, die überwiegend auf vor dem 01.07.1970 angeschaffte Grundstücke entfielen, entnahm der Landwirt. Das FA ermittelte einen fiktiven Buchwert der Milchlieferrechte auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (BStBl I 2003, 78). Unter Berücksichtigung des Verlustausgleichsverbots des § 55 Abs. 6 EStG ergab sich ein Entnahmegewinn von ca. 5 000 DM.
Der Landwirt war der Meinung, dass die Buchwertermittlung nicht dem BMF-Schreiben entspreche. Bei der Ermittlung des anteiligen Werts der Milchlieferrechte nach den Wertverhältnissen auf den 02.04.1984 sei vom Bruttoverkehrswert des Grundstücks zunächst ein Unsicherheitsabschlag von 10 % zu machen, bevor anschließend die durchschnittliche regionale Milchquote herausgerechnet werde. Letzteres ergebe sich aus einer Weisung der OFD Kiel. Außerdem sei das Verlustausgleichsverbot zu Unrecht flurstücksbezogen angewendet worden.
Nach insoweit erfolglosem Einspruch konnte sich das FG nicht der Meinung des Landwirts anschließen (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 07.05.2008, 5 K 78/06, Haufe-Index 2006679, EFG 2008, 1798).
Entscheidung
Die Revision hatte insofern Erfolg, als der BFH das Verfahren an das FG zurückverwies. Zwar sei die Schätzungsmethode zur Ermittlung des abgespaltenen Buchwerts für das Milchlieferungsrecht, die das BMF-Schreiben vom 14.01.2003 vorsehe, sachgerecht und auch im Fall des klagenden Landwirts richtig angewendet worden. Der Landwirt könne aber einen Anspruch auf die günstigere Berechnung durch Abzug der regionalen Milchquote anstelle des pauschalen Abzugs von 10 % haben. Das FG habe diesbezüglich zu prüfen, ob im Bezirk der OFD Kiel eine solche Weisung gegolten habe und allgemein umgesetzt worden sei. Das Verlustausgleichsverbot sei im Übrigen zutreffend flurstücksbezogen angewendet worden.
Hinweis
1. Das Urteil schafft in zwei Punkten Klarheit, in einem Punkt allerdings neue Rechtsunsicherheit. Die entschiedenen Fragen sind alle eine Folge der BFH-Rechtsprechung, nach der sich mit Einführung eines handelbaren Milchlieferrechts zum 02.04.1984 durch die Milchgarantiemengen-Verordnung (MGV) ein immaterielles Wirtschaftsgut "Milchlieferrecht" vom Grund und Boden abgespalten hat.
2. Klarheit schafft der BFH dadurch, dass er das von der Finanzverwaltung entwickelte Schätzungsverfahren zur Ermittlung des vom Grund und Boden abgespaltenen Buchwerts für ein Milchlieferrecht förmlich abgesegnet. Die Bestätigung des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (BStBl I 2003, 78) dürfte nicht überraschend kommen, nachdem der BFH schon kurz nach Veröffentlichung des Schreibens ohne kritische Anmerkung auf die Berechnungsmethode hingewiesen hatte (BFH, Urteil vom 20.03.2003, IV R 37/02, BFH/NV 2003, 1403).
Der Buchwert des abgespaltenen Milchlieferrechts wird also anhand der Wertverhältnisse bei Inkrafttreten der MGV am 02.04.1984 ermittelt. Die auf diesen Zeitpunkt errechnete Verhältniszahl wird auf die Buchwerte aller betroffenen Eigentumsflächen angewendet. Dies gilt auch für die pauschalen Werte nach § 55 Abs. 1 und 2 EStG für Grundstücke, die vor Einführung der Bodengewinnbesteuerung am 01.07.1970 angeschafft worden sind.
3. Auf derartige Altgrundstücke bezieht sich die zweite Klarstellung: Das Verlustausgleichsverbot nach § 55 Abs. 6 EStG ist flurstücksbezogen anzuwenden. Da Wirtschaftsgut nicht die Gesamtfläche, sondern jedes einzelne katastermäßig ausgewiesene Flurstück ist, muss sich auch die Berechnung nach § 55 Abs. 6 EStG auf das einzelne Flurstück beziehen. Eine Zusammenfassung kann aus Vereinfachungsgründen nur bei mit dem gleichen Ausgangswert bewerteten Flächen in Betracht kommen.
4. Unsicherheit entsteht dadurch, dass der BFH dem Landwirt zubilligt, sich auch vor Gericht auf alternative Schätzungsmethoden zu berufen, wenn sie von der Finanzverwaltung für sein Gebiet allgemein zugelassen und tatsächlich angewendet worden sind. Diese Handhabung ist eine Folge des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung. Hat etwa – wie im hiesigen Fall vorgetragen – eine OFD durch Verfügung besondere regionale Schätzungskriterien festgelegt und sind diese von den FÄ auch allgemein angewendet worden, müssen die betreffenden Kriterien auch vom FG berücksichtigt werden, wenn sie sich noch im Rahmen einer sachgerechten Auslegung des Gesetzes bewegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v...