Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Hebt das Finanzamt eine ordnungsgemäße und zutreffende Kapitalertragsteueranmeldung aus Gründen auf, die sich später als unrichtig herausstellen, besteht keine Verpflichtung zur Abgabe einer erneuten Anmeldung.
Sachverhalt
Eine GmbH hatte auf einen Vorzugsgeschäftsanteil eine Vorzugsdividende ausgeschüttet und die hierauf entfallende Kapitalertragsteuer ordnungsgemäß angemeldet. Das für die Besteuerung des Gesellschafters zuständige Finanzamt wertete die Gewinnausschüttung dagegen als Darlehensrückzahlung, woraufhin das für die GmbH zuständige Finanzamt die Kapitalertragsteueranmeldung aufhob und die Kapitalertragsteuer auf den Antrag der GmbH hin erstattete. Nachdem der BFH mit Urteil v. 28.6.2006, I R 97/05, BFH/NV 2006 S. 2083 derartige Gestaltungen nicht als Darlehensrückzahlung, sondern als Gewinnausschüttungen gewertet hatte, setzte das für die GmbH zuständige Finanzamt die Kapitalertragsteuer mit einem auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Bescheid fest. Hiergegen richtete sich der - erfolglose - Einspruch der GmbH, die vortrug, der Bescheid sei nichtig, zumindest aber rechtswidrig und auch durch die Änderungsnorm des § 174 Abs. 4 AO verfahrensrechtlich nicht abgedeckt.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt und entschied, dass der vom Finanzamt erlassene Nachforderungsbescheid ohne Rechtsgrundlage ergangen sei. Denn § 167 AO schreibt vor, dass eine Steuerfestsetzung bei Steueranmeldungen nur erforderlich, aber auch nur möglich ist, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer - oder Haftungsschuldner keine Steueranmeldung abgibt. Nach § 44 Abs. 5 EStG entfällt die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge und damit im Ergebnis auch eine Nachforderung nach § 167 Abs. 1 AO, wenn dieser nachweist, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Dies war vorliegend nicht der Fall, da die GmbH die Kapitalertragsteueranmeldung ordnungsgemäß abgegeben hatte. Sie war auch nicht verpflichtet, nach der Aufhebung der Anmeldung eine neue Anmeldung abzugeben. Denn die originäre Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer besteht nur im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung einer Gewinnausschüttung. In diesem Rahmen war die GmbH jedoch ihren Pflichten vollständig nachgekommen.
Hinweis
Das FG machte deutlich, dass es das Finanzamt selbst in der Hand gehabt hätte, die Steuerfestsetzung angesichts der im Ergebnis unklaren Rechtslage verfahrensrechtlich offen zu halten. Denn es hätte die Möglichkeit gehabt, das System von Kapitalertragsteuereinbehalt und Anrechnung derselben beim Vergütungsgläubiger (des Gesellschafters der GmbH) zu überwachen und zu verhindern, dass einerseits die Kapitalertragsteuer nicht gezahlt würde und andererseits diese beim Vergütungsgläubiger zur Anrechnung führt. Dieses Risiko darf das Finanzamt nicht durch das Postulat einer erneuten Kapitalertragsteueranmeldung auf die GmbH abwälzen.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob eine Verpflichtung zur erneuten Anmeldung von Kapitalertragsteuer besteht, wenn das Finanzamt eine ordnungsgemäße und zutreffende Kapitalertragsteueranmeldung aus Gründen aufgehoben hat, die sich später als unrichtig erweisen, hat das FG die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 21.06.2012, 1 K 1041/11