Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob § 8a Abs. 2 Alt. 3 KStG 2002 n.F. jedenfalls insoweit verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält, als dadurch nicht nur sog. Back-to-back-Finanzierungen, sondern auch übliche Fremdfinanzierungen von Kapitalgesellschaften bei Banken erfasst und damit die entsprechenden Zinsaufwendungen der Betriebsausgabenabzugsbeschränkung der sog. Zinsschranke unterworfen werden.
Normenkette
§ 8a KStG 2002, § 4h EStG 2002
Sachverhalt
Die Antragstellerin war ursprünglich eine Immobilien-GmbH und ist jetzt eine Immobilien-AG. Ihre Aktionäre waren mit jeweils 50 % der Anteile X und die Y GmbH. An der Y GmbH war Z zu 25 % unmittelbar und mittelbar beteiligt.
Die Antragstellerin war in den Streitjahren Eigentümerin von fünf Immobilienobjekten, deren Erwerb sie zum überwiegenden Teil fremdfinanzierte. Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen durch Bankkredite. Um die hohe Fremdfinanzierung zu erreichen, stellte die Y GmbH nachrangige Gesellschafterdarlehen i.H.v. rd. 9, später rd. 11 Mio. EUR zur Verfügung. Die Y GmbH trat mit ihren Rückzahlungs- und Zinsansprüchen im Rang hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurück. Ferner verbürgten sich der unmittelbare Gesellschafter X und der mittelbare Gesellschafter Z anteilig für die Verbindlichkeiten der Antragstellerin.
Das FA ließ die Zinsaufwendungen wegen § 8a KStG nur anteilig zum Abzug zu. FA wie FG lehnten die AdV der einschlägigen Bescheide ab (FG München, Beschluss vom 1.6.2011, 7 V 822/11, Haufe-Index 2760569, EFG 2011, 1830 FG), …
Entscheidung
… wobei sich das FG vor allem darauf stützte, dass kaum ein ernstlicher Verfassungszweifel geeignet sei, dem "Staatsinteresse" an der schnellen Steuervereinnahmung wirksam entgegenzutreten. AdV scheide deswegen durchweg aus. Der BFH sah nicht nur das anders. Er beantwortete auch die beim FG noch offengebliebene Frage nach den Verfassungszweifeln und bejahte diese. Folge: Die begehrte AdV wurde gewährt.
Hinweis
Der BFH hält jedenfalls "Teile" der Zinsschranke aus Verfassungsgründen für rechtswidrig:
1. Zinsaufwendungen eines Betriebs sind nach § 4h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar. Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG).
Davon macht § 4h Abs. 2 Satz 1 EStG eine Ausnahme: Nach dessen Stand-alone-Klausel ist die Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört.
§ 8a Abs. 2 KStG schränkt das wiederum mittels einer Rückausnahme ein. Die Stand-alone-Klausel gilt nur dann, wenn
- erstens:das Fremdkapital an (1. Alt.) einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, (2. Alt.) eine diesem nahestehende Person oder (3. Alt.) einen Dritten, der auf einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, gewährt wird,
- zweitens: die dafür geleisteten Vergütungen nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft i.S.d. § 4h Abs. 3 EStG betragen und
- drittens: die Körperschaft dies nachweist.
2. Zumindest der beschriebenen 3. Alt. – der Fall des sog. rückgriffsbewehrten Dritten – kann der BFH im summarischen Verfahren nicht viel abgewinnen: Er hält sie für "zielungenau", wirft ihr mangelnde Folgerichtigkeit vor und sieht in ihr insgesamt einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot.
Die Zielungenauigkeit beruht nicht zuletzt darauf, dass die 3. Alt. der Rückausnahme nicht nur echte sog. Back-to-back-Finanzierungen betrifft. Hierunter versteht man Gestaltungen, bei denen ein Unternehmer bei einer Bank eine Einlage unterhält und die Bank in gleicher Höhe einen Kredit an den Unternehmer oder eine nahestehende Person vergibt, sofern die Bank aufgrund eines rechtlichen Anspruchs oder einer dinglichen Sicherheit auf die Einlage zurückgreifen kann. Darüber hinaus betrifft die 3. Alt. der Rückausnahme aber jegliche rückgriffsgesicherte Fremddarlehen und damit Finanzierungsformen, die in praxi mehr als üblich sind und bei denen von Missbrauch und Umgehung nun wirklich keine Rede sein kann.
3. Folglich hält der BFH die AdV-Gewährung für geboten. Dass bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit diesbezüglich vielfach eine große Zurückhaltung geübt wird und dem Allgemeininteresse einer "geordneten Haushaltsführung" ein (über-)großes Gewicht eingeräumt wird, überzeugt den BFH jedenfalls für die hier in Rede stehende Tatbestandsvariante nicht. Letztlich gewichtet er die Verfassungszweifel deutlich höher als ein solches Allgemeininteresse.
Das gilt zumindest in Fällen mit Zahllasten wie hier: Die allein durch die Zinsschranke eintretende Steuerbelastung belief sich im Beschlussfall auf über 1,1 Mio. EUR. Dann aber ist AdV zu gewähren, auc...