Leitsatz
1. Erstattet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die für ihn an das Finanzamt im Rahmen der Haftung nach § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) gezahlten Lohnkirchensteuern, handelt es sich nicht um Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, da der hierfür erforderliche objektive Zusammenhang mit dem Beruf fehlt.
2. Die an den Arbeitgeber geleistete Erstattung ist jedoch als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) abziehbar, weil sie als Zahlung auf die eigene Kirchensteuerschuld des Arbeitnehmers anzusehen ist.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44, § 34, § 69 AO
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Bei einer LSt-Außenprüfung war festgestellt worden, dass dem Kläger im Jahr 2014 eine Sachzuwendung zugeflossen war. Das FA nahm die GmbH als Arbeitgeberin des Klägers in Haftung (§ 42d EStG). Die GmbH wiederum nahm den Kläger in Regress. Dieser zahlte im Streitjahr 2017 (u.a.) einen Betrag für die KiSt i.H.v. X EUR an die GmbH. Diese Zahlung machte er in seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) geltend. Das FA lehnte eine Berücksichtigung ab, da der Kläger nicht als Steuerpflichtiger gezahlt habe, sondern im Rahmen eines zivilrechtlichen Regresses in Anspruch genommen worden sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 23.6.2020, 12 K 3738/19 E, Haufe-Index 14799805, EFG 2021, 1715).
Entscheidung
Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Zahlung des Klägers als Sonderausgaben berücksichtigt. Eine Berücksichtigung als Werbungskosten hat der BFH hingegen abgelehnt.
Hinweis
1. Zwar können Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden der BFH-Rechtsprechung zufolge auch dann als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden, wenn die Haftung auf nicht abgeführter LSt beruht, die auf den eigenen Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt (BFH, Urteil vom 8.3.2022, VI R 19/20, BStBl II 2022, 633, BFH/NV 2022, 1111). Für Lohnkirchensteuer muss das ebenso gelten.
Diese Rechtsprechung greift jedoch nur dann ein, wenn dem Geschäftsführer eine berufliche Pflichtverletzung zur Last gelegt wird, aufgrund derer er selbst als Haftender in Anspruch genommen wird (z.B. Verletzung der steuerlichen Pflichten zur Abführung der LSt an das Betriebsstätten-FA).
Wird hingegen der Arbeitgeber in Anspruch genommen und erstattet daraufhin der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die für ihn gezahlte Lohnkirchensteuer nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, fehlt es an dem für einen Werbungskostenabzug erforderlichen objektiven Zusammenhang mit dem Beruf. Der Arbeitnehmer zahlt in einem solchen Fall letztlich "nur" seine persönliche KiSt.
2. Für den Bereich der Sonderausgaben gilt, dass grundsätzlich nur derjenige zum Abzug berechtigt ist, der die Aufwendungen als schuldrechtlich zur Zahlung Verpflichteter leistet. Tätigt hingegen eine andere Person als der Schuldner die Zahlung, steht keinem der beiden Beteiligten der Sonderausgabenabzug zu; denn der Schuldner ist mangels eigener Aufwendungen schon nicht wirtschaftlich belastet, während der Dritte rechtlich nicht zur Zahlung verpflichtet ist.
Nicht um die Zahlung eines Dritten, sondern um "gezahlte KiSt" i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG handelt es sich allerdings, wenn die Lohnkirchensteuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten wird (BFH, Urteil vom 26.11.2008, X R 24/08, BFH/NV 2009, 568). Denn auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer i.S.d. Aufwendungsbegriffs des § 10 Abs. 1 EStG tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet (BFH, Urteil vom 2.9.2008, X R 46/07, BStBl II 2009, 229, BFH/NV 2008, 2073).
Erstattet ein Steuerpflichtiger dem nach § 42d EStG für die Lohnkirchensteuer in Haftung genommenen Arbeitgeber dessen Zahlung, liegt eine vergleichbare Situation vor. Denn der Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber als Gesamtschuldner in Regress genommen wird (§ 42d Abs. 3 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG), ist nicht nur wirtschaftlich durch die Zahlung belastet, sondern bleibt im Innenverhältnis weiterhin Schuldner der Lohnkirchensteuer. Dafür spricht auch, dass die Zahlung des Arbeitgebers im Haftungswege wie im Fall des sofortigen Abzugs der KiSt vom Arbeitslohn zur Anrechnung der Lohn(kirchen)steuer auf die ESt-Schuld des Arbeitnehmers nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG führt (Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Fortsetzung des Abzugsverfahrens).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.8.2023 – X R 16/21