Die von der Rechtsprechung entwickelten und im Folgenden dargestellten Besonderheiten bei der getrennten Veranlagung sind entsprechend auf die Einzelveranlagung[1] übertragbar.[2]

Die Aufteilungsregeln der Zusammenveranlagung[3] gelten grundsätzlich auch im Fall der Einzelveranlagung. Sie führten dabei in der Praxis einst oft dazu, dass sich für den einen Ehegatten eine Nachzahlung und für den anderen eine Erstattung ergab. Dabei konnte es sogar vorkommen, dass die Nachzahlung nicht mehr zu realisieren war, während das Finanzamt Vorauszahlungen an den anderen zu erstatten hatte, die es bereits "sicher und endgültig in der Kasse hatte". Diesem fiskalisch unerfreulichen Ergebnis hat der BFH[4] einen Riegel vorgeschoben.

Danach dienen Vorauszahlungen eines Ehegatten aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids letztlich der Tilgung der zu erwartenden Steuerschulden beider Ehegatten, unabhängig davon, ob die Eheleute später zusammen oder einzeln veranlagt werden. Sie sind deshalb zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Ein verbleibender Rest ist nach Kopfteilen an die Ehegatten auszukehren.

Zu beachten ist, dass diese Rechtsprechung nur Anwendung findet, wenn eine Einzelveranlagung durchgeführt wird, der Vorauszahlungen zugrunde liegen, die ohne Tilgungsbestimmung erfolgt sind.[5]

 
Praxis-Beispiel

Vorauszahlungen reichen zur Tilgung aus – Erstattungsüberhang

Die Eheleute M und F haben auf gemeinsame Rechnung Vorauszahlungen i. H. v. 7.000 EUR ohne Tilgungsbestimmung gezahlt. Nach Einzelveranlagung entfallen auf M 6.000 EUR festgesetzte Steuer, auf F 0 EUR festgesetzte Steuer (ggf. jeweils nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen).

Nach der früheren Rechtsprechung wurden jedem Ehegatten 3.500 EUR Vorauszahlungen angerechnet. F erhielt eine Erstattung von 3.500 EUR, M musste 2.500 EUR nachzahlen.

Nach der neuen Rechtsprechung werden M vorab 6.000 EUR (= festgesetzte Steuer) angerechnet. Der Rest wird nach Köpfen verteilt, sodass jeder Ehegatte eine Erstattung von 500 EUR erhält.

Der BFH hat in dem Urteil ausdrücklich die Frage offengelassen, wie zu verfahren wäre, wenn die geleisteten Vorauszahlungen nicht zur Tilgung beider Steuerschulden ausreichen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung hat hier grundsätzlich eine Aufteilung nach Köpfen zu erfolgen, jedoch pro Ehegatte betragsmäßig beschränkt auf die Höhe der gegen ihn festgesetzten Steuer.[6]

 
Praxis-Beispiel

Vorauszahlungen reichen zur Tilgung nicht aus – Nachzahlungsüberhang

Auf gemeinsame Rechnung wurden 6.000 EUR Vorauszahlungen gezahlt. Nach Einzelveranlagung entfallen auf M 4.000 EUR und auf F 2.500 EUR festgesetzte Steuer.

Nach der alten Rechtsprechung musste M noch 1.000 EUR nachzahlen, während F eine Erstattung von 500 EUR bekam.

Nach der neuen Rechtsprechung bekäme F nur 2.500 EUR angerechnet und damit nichts erstattet. M würden 3.500 EUR angerechnet. Er müsste noch 500 EUR nachzahlen.

Weitere anschauliche Beispiele, auch unter Berücksichtigung der dem betroffenen Ehegatten individuell zuordenbaren Steuerabzugsbeträge, finden sich im AEAO zu § 37, Nr. 3.6.

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