LfSt Bayern v. 3.8.2011, S 0166.2.1 - 16/7 St 42
1. Allgemeines
Nach § 46 Abs. 1 AO können Erstattungs- und Vergütungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach ihrer Entstehung abgetreten oder verpfändet werden.
Die Abtretung erfolgt nach §§ 398 ff. BGB, die Verpfändung nach den §§ 1273, 1274, 1279 ff. BGB mit den sich aus § 46 AO ergebenden Einschränkungen.
Soweit nachfolgend nur die Abtretung angesprochen ist, gelten die Ausführungen für die Verpfändung entsprechend.
2. Abtretbare Erstattungsansprüche und Steuervergütungen
Steuererstattungsansprüche im Sinne des § 46 Abs. 1 AO sind insbesondere die Ansprüche auf Erstattung der durch Vorauszahlungen und/oder Steuerabzugsbeträge überzahlten Veranlagungssteuern sowie die sonstigen in den Einzelsteuergesetzen geregelten Erstattungsansprüche (z.B. § 36 Abs. 4 EStG). Ein Kfz-Steuererstattungsanspruch ist nur dann wirksam abgetreten, wenn innerhalb des kurzen Zeitraums zwischen Wegfall der Steuerpflicht (z.B. Abmeldung des Kfz) und Auszahlung der Erstattung die Abtretungsanzeige der Finanzbehörde zugegangen ist.
Steuervergütungsansprüche sind der Überschuss der Vorsteuer über die Umsatzsteuer (§ 16 Abs. 2 UStG), der Anspruch auf Eigenheimzulage, Investitionszulage und Wohnungsbauprämie usw. Ansprüche auf Arbeitnehmersparzulage für vermögenswirksame Leistungen, die nach dem 31.12.1993 angelegt werden, können nicht mehr abgetreten werden (§§ 13 Abs. 3, 17 des 5. VermBG).
Dagegen ist z.B. der Anspruch auf Abzug der Vorsteuer nach § 15 UStG oder auf Anrechnung der Körperschaftsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht selbständig abtretbar oder verpfändbar (BFH vom 24.3.1983, BStBl 1983 II S. 612). Zur Auslegung in Zweifelsfällen s. Tz. 3.1.
Besonderheiten bei der Bauabzugsteuer:
Der Anspruch des leistenden Unternehmers auf Erstattung der nach Anrechnung gem. § 48c Abs. 1 EStG verbleibenden Abzugsbeträge entsteht erst nach Durchführung der Veranlagung des Leistenden zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer des Jahres, in dem die Leistung erbracht wurde. Das bedeutet, dass nach § 46 Abs. 6 AO der Erstattungsanspruch nur dann abgetreten bzw. verpfändet werden kann, wenn die Abtretungsanzeige innerhalb des Zeitraums nach Durchführung der Veranlagung und vor Erstattung des restlichen Abzugsbetrags eingeht.
3. Wirksamkeit der Abtretung bzw. Verpfändung
Die Abtretung wird erst wirksam, wenn sie in der vorgeschriebenen Form angezeigt wird (§ 46 Abs. 2 AO); die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung bzw. Verpfändung. Weitere Voraussetzung ist deren Zugang bei der zuständigen Finanzbehörde, die Erstattungsberechtigung des Abtretenden und die Verfügbarkeit des abgetretenen Anspruchs. Zur Geschäftsmäßigkeit s. Tz. 3.5.
3.1. Wirksamkeit der Abtretungsanzeige
Die Abtretungsanzeige ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130 BGB), die mit dem Zugang beim FA wirksam wird.
Ein Widerruf ist nur mit Zustimmung des Abtretungsempfängers möglich (§ 409 Abs. 2 BGB).
Die Abtretung ist auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen (§ 46 Abs. 3 Satz 1 AO). Ablichtungen, Computerausdrucke oder privat hergestellte Nachdrucke, die in Form, Inhalt und Aufbau dem amtlichen Vordruck vollständig entsprechen, sind zulässig. Unschädlich sind Bearbeitungshinweise, die das äußere Bild des privat gedruckten Formulars nicht wesentlich verändern, so dass der Schutzzweck des § 46 Abs. 3 AO gewahrt bleibt.
Auch ein aus zwei getrennten, einseitig bedruckten und zusammengehefteten Blättern bestehender Computerausdruck einer Abtretungsanzeige genügt den gesetzlichen Anforderungen und ist daher formwirksam.
Der mit den Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO bezweckte Schutz ist auch gewahrt, wenn die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte, vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger jeweils eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige durch Telefax übersandt wird (Urteil des BFH vom 8.6.2010, VII R 39/09, BStBl 2010 II S. 839). Dies gilt entsprechend, wenn der amtliche Papiervordruck einer Abtretungsanzeige eingescannt per E-Mail übermittelt wird.
Soweit Abtretungsanzeigen aufgrund der bisherigen Verwaltungsauffassung wegen Formverstößen in den beiden o.g. Fällen (zweiseitiger Druck bzw. Übermittlung per Telefax) abgelehnt wurden und sich daraus Streitfragen ergeben haben, ist wie folgt zu verfahren:
- Die Ablehnung einer nach bisheriger Verwaltungsauffassung formunwirksamen Abtretungsanzeige stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. auch BFH vom 30.8.1988, VII R 149/85, BFH/NV 1989 S. 210). Da diese Verwaltungsakte in der Regel keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, beträgt die Einspruchsfrist im Regelfall 1 Jahr (§ 356 Abs. 2 AO). Wird innerhalb der Jahresfrist Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt, ist dieser Bescheid auf der Grundlage der aktuellen BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung aufzuheben und der Erstattungsbetrag an den Abtretungsempfänger auszuzahlen, soweit er nach aktueller Verwaltungsauffassung anspruc...