Leitsatz

Ist Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt worden, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, ist die Steueranmeldung gem. § 44b Abs. 4 EStG 1997 auf Antrag des zum Steuerabzug verpflichteten Vergütungsschuldners aufzuheben und an diesen zu erstatten. Der Schuldner der Kapitalerträge ist nach § 44b Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 auch dann erstattungsberechtigt, wenn die Kapitalertragsteuer nicht für seine Rechnung entrichtet wurde.

 

Normenkette

§ 44b Abs. 4 Satz 2 EStG , § 37 Abs. 2 AO , § 41 AO

 

Sachverhalt

Der Revisionskläger wurde 2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin, einer GmbH & Co. KG bestellt, die zum 30.11.1996 durch formwechselnde Umwandlung der am 9.11.1996 gegründeten B-GmbH entstanden war. Letztere hatte im März 1997 mit einer – seit dem 1.6.2000 ebenfalls insolvent gewordenen – AG einen Vertrag über eine stille Gesellschaft abgeschlossen, der auf den 28.3.1996 rückdatiert wurde. In der Folgezeit kam es aufgrund dessen zu Gewinnausschüttungen an die AG, für die die GmbH & Co. KG im Juli und August 1997 (streitgegenständliche Zeiträume) KapESt einbehalten und angemeldet hatte. Die angemeldeten Beträge waren sodann von einem Bankkonto der AG abgebucht worden.

Die GmbH & Co. KG reichte beim FA berichtigte KapESt-Anmeldungen ein, in denen die Gewinnausschüttungen mit 0 DM erklärt wurden. Sie begehrte im Anschluss daran die Erstattung eines KapESt-Guthabens von 2.015.625 DM. Das FA lehnte die Änderung der Anmeldungen sowie die Erstattungen ab.

Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage gelangte das FG zu der Erkenntnis, dass der Gesellschaftsvertrag über die Begründung einer stillen Gesellschaft ein zivilrechtlich unwirksames Scheingeschäft (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO) sei. Das FG hat infolgedessen zugunsten der GmbH & Co. KG entschieden, dass die von dieser angemeldeten KapESt für Juli und August 1997 ohne Rechtsgrund einbehalten und abgeführt worden seien. Die KapESt-Anmeldungen seien entgegen der Auffassung des FA aufzuheben, und zwar nach Maßgabe von § 164 Abs. 2 Satz 1, § 168 Satz 1 AO, ggf. auch von § 44b Abs. 4 Satz 1 EStG. Insofern hat das FG der Klage der GmbH & Co. KG stattgegeben.

Es hat die Klage jedoch abgewiesen, soweit die GmbH & Co. KG zugleich Erstattung der abgeführten KapESt nach § 44b Abs. 4 Satz 1 EStG beanspruchte. Die GmbH & Co. KG sei nicht erstattungsberechtigt, weil tatsächlich nicht sie, sondern die AG die KapESt abgeführt habe und das Ganze nur zum Schein erfolgt sei; "wirkliche Gewinnausschüttungen" habe es, wie nunmehr aufgedeckt sei, nicht gegeben. Dafür, dass die Zahlung auf Rechnung der GmbH & Co. KG erfolgt sei, sei nicht ersichtlich. Das FG hat den Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG zum Klageverfahren beigeladen.

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision des Revisionsklägers entsprochen: Auch wenn die GmbH & Co. KG nur "zum Schein" gehandelt habe, bleibe es dennoch dabei, dass sie "Soll-Abzugsverpflichete" sei. Als solche stehe ihr gem. § 44b Abs. 4 Satz 1 EStG auch der Erstattungsanspruch gegenüber dem FA zu. Derjenige, auf dessen Rechnung tatsächlich gehandelt werde, sei gehalten, sich zivilrechtlich bei dem Soll-Abzugsverpflichteten schadlos zu halten. Es sei nicht Sache des FA, diese Rechtslage zu berücksichtigen.

 

Hinweis

Der Sachverhalt, über welchen der BFH hier zu entscheiden hatte, hat sicherlich eher Seltenheitswert:

1. Kommt ein Vergütungsschuldner seiner gesetzlichen Verpflichtung nach und behält er bei Auszahlung von Gewinnanteilen aus Kapitalbeteiligungen die KapESt ein und führt er diese an das FA ab (§ 44 Abs. 1 EStG), stellt sich hinterher aber heraus, dass eine solche Verpflichtung gar nicht bestand, dann ist die KapESt-Anmeldung gem. § 45b Abs. 4 Satz 1 EStG zu ändern. Die einbehaltenen und angeführten Steuern sind infolgedessen vom FA zu erstatten.

2. Erstattungsberechtigt ist nach § 37 Abs. 2 AO derjenige, auf dessen Rechnung ohne rechtlichen Grund die Zahlung einer Steuer bewirkt worden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 44b Abs. 4 Satz 2 EStG jedoch sondergesetzlich den "Antragsteller" zum Erstattungsberechtigten, nach den Normzusammenhängen also den nach § 44b Abs. 4 Satz 1 EStG "zum Steuerabzug Verpflichteten". Das wiederum ist nach § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG der Vergütungsschuldner.

Bei alledem bleibt es, wie der BFH herausstellt, auch dann, wenn der Vergütungsschuldner nicht derjenige ist, auf dessen Rechnung die Steuer abgeführt worden ist. Die gesetzlichen Regelungen zielen darauf ab, das FA nicht mit internen Streitigkeiten des zivilrechtlich verbundenen Schuldners und Gläubigers zu belasten. Aus Gründen der Vereinfachung ist also stets der formal Einbehaltungs- und Abführungsverpflichtete auch der Erstattungsberechtigte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.7.2004, I R 100/03

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