Leitsatz
1. Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
2. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht.
3. Eine Flugzeugführerin, die von ihrem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die sie als Flugzeugführerin arbeitsvertraglich schuldet, hat dort ihre erste Tätigkeitsstätte.
4. Die Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie diese ausfüllenden Absprachen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht.
Normenkette
§ 9 Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit September 2007 als Flugzeugführerin bei der A angestellt. Heimatflughafen (Homebase) war zunächst Y. Mit Schreiben vom November 2011 versetzte die A die Klägerin aufgrund ihrer Umschulung auf den A 340 ab Dezember 2011 vom Flughafen Y zum Flughafen X. Im Versetzungsschreiben behielt sich die A – wie schon im Anstellungsvertrag – vor, die Klägerin auf anderen Flugzeugmustern, an anderen Orten sowie vorübergehend bei anderen Unternehmen im A Konzern einzusetzen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte sie die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen erfolglos gegenüber dem FA geltend. Die daraufhin erhobene Klage hat das FG abgewiesen (FG Hamburg, Urteil vom 13.10.2016, 6 K 20/16, Haufe-Index 10077731, EFG 2017, 27).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Fliegendes Personal – wie Piloten und Flugbegleiter – ist schwerpunktmäßig nicht ortsfest in betrieblichen Einrichtungen der Fluggesellschaften auf dem Flughafengelände, sondern in Flugzeugen tätig. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Heimatflughafen waren deshalb nach bisheriger Rechtsprechung nicht nur i.H.d. Entfernungspauschale, sondern nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten abzugsfähig. Entsprechendes galt für den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen (z.B. BFH, Urteil vom 26.2.2014, VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029).
2. Durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) hat der Gesetzgeber das steuerliche Reisekostenrecht neu geordnet. Nunmehr wird die "erste Tätigkeitsstätte" (bisher: "regelmäßige Arbeitsstätte") vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt (BFH, Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, Haufe-Index 13227100, BFH/PR 2019, 238).
3. Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Hierzu zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen. Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (z.B. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn vorgenommen werden. Sie muss weder ausdrücklich erfolgen noch setzt sie voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen der Zuordnungsentscheidung bewusst ist (BFH, Urteil vom 4.4.2019, a.a.O.).
4. Allerdings muss die Zuordnung § 9 Abs. 4 Satz 1 EStGdauerhaft erfolgen. Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Keine Dokumentationspflicht
Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 10). Eine Dokumentationspflicht ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer...