FinMin Brandenburg, Erlaß v. 28.07.2005, 35-S 1300-8/02

 

A. Problemstellung

Die sog. Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-Musterabkommen) vermeidet die Doppelbesteuerung in der Weise, dass der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte, für die der andere Staat (Quellenstaat) ein Besteuerungsrecht hat, aus der Bemessungsgrundlage ausnimmt. Dies gilt auch dann, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keinen Gebrauch macht, so dass es auch zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen kann (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung). Es besteht in solchen Fällen lediglich die Möglichkeit, den anderen Staat durch eine Spontanauskunft auf die Einkünfte hinzuweisen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem anderen Staat diese Einkünfte nicht bekannt sind.

 

B. Regelungen in den Doppelbesteuerungsabkommen

Um solche weißen Einkünfte zu vermeiden, enthalten einige DBA Regelungen, nach denen das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte an den Ansässigkeitsstaat zurückfällt, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht; die Einkünfte werden dann nicht von der deutschen Steuer freigestellt.

Die Formulierungen in den einzelnen DBA sind allerdings unterschiedlich.

 

C. Wirkung als Rückfallklausel

1. Der BFH vertritt im Urteil vom 17.12.2003, I R 14/02, BStBl 2004 II S. 260, in Bezug auf Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH vom 05.02.1992, I R 158/90, BStBl 1992 II S. 660) die Auffassung, dass aufgrund solcher Regelungen das Besteuerungsrecht nicht an den Ansässigkeitsstaat zurückfällt, wenn es sich um Einkünfte handelt, die einem ausschließlichen Besteuerungsrecht des Quellenstaates unterliegen.

Er begründet diese Auffassung damit, dass Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 nur für Zwecke dieses Artikels gelte, ansonsten die daneben bestehende Regelung für Qualifikationskonflikte in Abschn. 13 Buchst. b des Protokolls leer laufen würde und sich eine allgemeine Vermeidung einer „Keinmalbesteuerung” aus Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 nicht herleiten lasse.

Damit liegen Rückfallklauseln nur noch vor im Verhältnis zu:

Bei diesen Regelungen greifen die Gründe des o.g. BFH-Urteils nicht (z.B. mangels einer solchen allgemeinen Klausel und den sich daraus ergebenden Konkurrenzproblemen oder aufgrund anderer Formulierungen wie z.B. „… effektiv besteuert …” im Protokoll zum DBA Italien).

Alle anderen Formulierungen sind nach dem o.g. Urteil keine Rückfallklauseln mehr. Sie entfalten daher keine Wirkung.

2. Sofern noch eine Rückfallklausel anzunehmen ist, sind Einkünfte aus dem entsprechenden Staat, die nach den Regelungen dieses DBA in Deutschland grundsätzlich freizustellen wären, im anderen Staat tatsächlich aber nicht besteuert werden, nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen. Auf den Grund für die Nichtbesteuerung im anderen Staat kommt es dabei nicht an, d.h. die Rückfallklauseln erfassen sowohl die Fälle, in denen der andere Staat nach seinem nationalen Steuerrecht die Einkünfte nicht oder nicht in vollem Umfang besteuern kann, als auch die Fälle, in denen der andere Staat die Einkünfte – rechtsirrtümlich oder in Unkenntnis ihres Vorhandenseins – steuerfrei lässt, obwohl er sie nach seinem nationalen Recht besteuern könnte. Dies gilt auch dann, wenn die Nichtbesteuerung im Quellenstaat auf einer dort gewährten besonderen Steuerbefreiung (ähnlich § 3 EStG) beruht (BFH vom 27.08.1997, I R 127/95, BStBl 1998 II S. 58).

Nach § 90 Abs. 2 AO hat der Steuerpflichtige – regelmäßig durch Vorlage des Steuerbescheides – nachzuweisen, dass die Einkünfte im anderen Staat tatsächlich besteuert worden sind, da er für die Steuerfreiheit von Einkünften aufgrund eines DBA die Feststellungslast trägt (BFH, Urteil vom 05.10.1994, I R 67/93, BStBl 1995 II S. 95). Eine tatsächliche Besteuerung liegt auch vor, wenn im anderen Staat nach dem dort geltenden Tarif auch unter Einbeziehung der fraglichen Einkünfte keine Steuer festzusetzen ist (Einkünfte insgesamt nicht höher als Grundfreibetrag). Wird der Nachweis nicht erbracht, sind die ausländischen Einkünfte grundsätzlich in die Besteuerung im Inland einzubeziehen (BFH vom 11.06.1996, I R 8/96, BStBl 1997 II S. 117).

Bei Einkünften, die aufgrund einer Rückfallklausel der deutschen Besteuerung unterliegen, handelt es sich für Zwecke der Steueranrechnung nach § 34c EStG nicht um Einkünfte aus dem anderen Staat, sondern um inländische Einkünfte. § 34c Abs. 6 EStG verweist nämlich insoweit auf das jeweilige DBA, und die Rückfallklausel des DBA fingiert, dass Einkünfte nur dann aus dem anderen Staat stammen, wenn sie dort ...

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