Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Durch das "Kroatiengesetz" war mit Wirkung zum 1.10.2014 die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens um die Lieferung bestimmter, in einer abschließenden Anlage 4 zum UStG aufgeführter edler und unedler Metalle ergänzt worden. Da diese Regelung nicht mit einer Mindestumsatzhöhe verbunden war und außerdem auch Verarbeitungsprodukte des täglichen Bedarfs mit erfasste (z. B. Alufolie), wurde die Regelung zum 1.1.2015 durch das "Zollkodexanpassungsgesetz" angepasst. Gegenstand der Anpassung waren insbesondere:
- Einführung einer Mindestumsatzgrenze von 5.000 EUR. Erst wenn der Leistungsempfänger im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5.000 EUR aufwendet, kann die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergehen.
- Die Anlage 4 zum UStG wurde überarbeitet und verschlankt.
Selen, Draht, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse, Profile sowie Stangen (Stäbe) sind nicht mehr in der Anlage 4 zum UStG enthalten. Selen ist gestrichen worden, da es lediglich ein Halbmetall ist. Bei Draht, Bändern, Folien, Blechen und anderen flachgewalzten Erzeugnissen, Profilen sowie Stangen (Stäbe) ergaben sich zum einen Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis, zum anderen sind sie neben dem gewerblichen Einsatz auch oftmals für den Endverbrauch geeignet. Nach dem Zolltarif ergibt sich hier aber keine Unterscheidung. Gold ist ebenfalls aus der Anlage 4 zum UStG gestrichen worden, da ein Konkurrenzverhältnis zu dem bereits unter das Reverse-Charge-Verfahren fallenden Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325/1.000 nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG vorliegt.
Die Finanzverwaltung hatte schon mit Schreiben vom 5.12.2014 eine Nichtbeanstandungsregelung veröffentlicht, nach der es nicht zu beanstanden ist, wenn bei Lieferungen bis zum 30.6.2015 die Vertragsparteien einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers ausgehen, selbst wenn der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Lieferung der edlen und unedlen Metalle würde. Voraussetzung für die Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird.
Diese Nichtbeanstandungsregelung wird jetzt für alle nach dem 31.12.2014 bis zum 30.6.2015 ausgeführten Umätze dahingehend erweitert, dass es nicht beanstandet wird, wenn die Vertragsparteien einvernehmlich von der Steuerschuld des Leistungsempfängers nach der vom 1.10.2014 bis 31.12.2014 geltenden Fassung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG ausgehen, selbst wenn nach der ab dem 1.1.2015 geltenden Fassung der Regelung der leistende Unternehmer Steuerschuldner sein würde. Dies gilt entsprechend auch in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts nach dem 31.12.2014 und vor dem 1.7.2015 vereinnahmt wird und die Leistung erst nach der Vereinnahmung ausgeführt wird.
Konsequenzen für die Praxis
Die Ausweitung der Nichtbeanstandungsregelung auf die Fälle, in denen Unternehmer Leistungen in der Zeit zwischen dem 1.1. und dem 30.6.2015 nach der Altregelung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG ausführen, ist eine logische Konsequenz. Hatten sich Unternehmer ab dem 1.10.2014 auf die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung der edlen und unedlen Metalle nach der ersten Gesetzesfassung eingerichtet, konnten sie ggf. nicht sofort eine Anpassung an die Neufassung ab dem 1.1.2015 vornehmen.
Ob es für die praktische Anwendung sinnvoll ist, sich noch lange auf die Nichtbeanstandungsregelung zu berufen, kann aber bezweifelt werden. Die Nichtbeanstandungsregelung ist davon abhängig, dass der Umsatz in zutreffender Weise besteuert wird. Damit hat immer der zutreffende Steuerschuldner ein Risiko, wenn die Vertragsparteien zwar vereinbart hatten, dass der Andere die Umsatzsteuer schuldet, der dann aber den Umsatz nicht ordnungsgemäß versteuert bzw. später eine Änderung vornehmen möchte.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 22.1.2015, IV D 3 – S 7279/14/10002--02, BStBl 2015 I S. 123