Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Zum 1.1.2023 ist die Regelung zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in § 13b Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG um die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 BEHG erweitert worden. Danach wird seit dem 1.1.2023 der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner, wenn ein Emissionszertifikat nach dem BEHG übertragen wird.
Hinweis
Ein Emissionszertifikat nach § 3 Nr. 2 BEHG ist ein Zertifikat, das zur Emission einer Tonne Treibhausgase in Tonnen Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt.
Die Finanzverwaltung ändert den UStAE aus diesem Grund geringfügig in Abschn. 13b.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 UStAE und nimmt das BEHG mit in die Aufzählung der unter die Regelung fallenden Emissionszertifikate auf.
Die Regelungen zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens haben nicht nur eine Bedeutung für die Frage, wer die Umsatzsteuer schuldet. Auch auf die korrekte Abrechnung (Netto-Rechnung ohne gesonderten Steuerausweis, Hinweis in der Rechnung auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft, wenn § 13b UStG anzuwenden ist; gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in einer Rechnung, wenn die Leistung nicht unter das Reverse-Charge-Verfahren fällt) muss geachtet werden.
Breiten Raum nehmen in dem Schreiben die Anwendungsregelungen für die Sachverhalte ein, die um den Zeitpunkt der Einführung der Regelung (1.1.2023) ausgeführt wurden. Bei der Übertragung der Emissionszertifikate nach § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG soll wie folgt verfahren werden:
- Hat der Unternehmer vor dem 1.1.2023 eine Anzahlung für eine ab dem 1.1.2023 ausgeführte Leistung erhalten und dafür eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt, ist diese Rechnung im Voranmeldungszeitraum der tatsächlichen Ausführung der Leistung zu berichtigen. Erfolgt keine Berichtigung, würde sich die Rechtsfolge des § 14c Abs. 1 UStG ergeben. Es wird aber nicht beanstandet, wenn der leistende Unternehmer die Anzahlungsrechnung nicht berichtigt und in der (Reverse-Charge-)Schlussrechnung nur den um das vereinnahmte Entgelt geminderten Betrag angibt; Voraussetzung ist, dass der leistende Unternehmer die Anzahlung in zutreffender Höhe erklärt.
- Wird für eine vor dem 1.1.2023 ausgestellte Rechnung die Anzahlung erst nach dem 31.12.2022 vereinnahmt, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner; eine dem entgegenstehende Rechnung muss berichtigt werden (soweit Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde, wird die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet). Maßgeblich ist jeweils die Ausführung der Leistung, Teilleistung oder die Vereinnahmung der Anzahlung, nicht das Ausstellungsdatum der Rechnung. Eine Vereinfachungsregelung kommt in diesen Fällen nicht in Betracht.
- Wird eine Rechnung ab dem 1.1.2023 ausgestellt für eine Leistung, die vor dem 1.1.2023 ausgeführt worden ist, bleibt der leistende Unternehmer Steuerschuldner. Die Rechnung ist mit Umsatzsteuer zu erstellen.
- Bei der Berichtigung nach dem 31.12.2022 einer vor dem 1.1.2023 erstellten und bezahlten Rechnung über Anzahlungen kann wie folgt verfahren werden: Wurde die Anzahlungsrechnung vorher nicht berichtigt, erfolgt eine Berichtigung nur insoweit, als der überzahlte Betrag zurückgezahlt wurde und insoweit die Grundlage für die Versteuerung der Anzahlung entfallen ist. Der Leistungsempfänger wird bei Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung nur insoweit zum Steuerschuldner, wie ein weiteres Entgelt vereinnahmt wird.
Eine grundsätzliche Nichtbeanstandungsregelung, wie sie in anderen Fällen der Änderung oder Ergänzung der Regelungen zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger früher von der Finanzverwaltung festgelegt wurde, ist in diesem Fall nicht eingeführt worden.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung hat die zum 1.1.2023 vorgenommene Erweiterung bei den Emissionszertifikaten nach dem BEHG mit in den UStAE aufgenommen. Die Aufnahme in den UStAE wird flankiert durch diverse Hinweise auf Sachverhalte, bei denen Zahlung, Rechnungserstellung und Leistungserbringung vor und nach dem 1.1.2023 lagen. Dies sind Hinweise, die von der Finanzverwaltung auch schon bei früheren Änderungen des Reverse-Charge-Verfahrens vergleichbar getroffen wurden.
Durch das Wachstumschancengesetz soll die in § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG enthaltene Vertrauensschutzregelung jetzt auch um die Sachverhalte nach § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG erweitert werden. Danach können sich die Vertragspartner in den Fällen, in denen Unsicherheit über die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens besteht, darauf einigen, § 13b UStG anzuwenden. Falls dann nach den objektiven Kriterien kein Fall der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger vorliegen sollte, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, soweit keine Steuerausfälle entstehen.
Soweit ein Fall des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG vorliegen sollte, muss insbesondere darauf geachtet werden, dass der leistend...