Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Werden vom Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG) Sachspenden des Angehörigen eines Mitgliedstaats in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs an Einrichtungen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und die nach dem Recht ihres Mitgliedstaats als gemeinnützig anerkannt sind, umfasst?
2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:
Widerspricht es – unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Verifikation von Erklärungen des Steuerpflichtigen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Satz 3 EG) – der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG), wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats Spenden an gemeinnützige Einrichtungen nur dann steuerbegünstigt sind, wenn Letztere in diesem Mitgliedstaat ansässig sind?
3. Falls die Frage zu 2. bejaht wird:
Begründet die RL 77/799/EWG eine Pflicht der Finanzbehörde eines Mitgliedstaats, zur Aufklärung eines Sachverhalts, der in einem anderen Mitgliedstaat verwirklicht wurde, die Hilfe der Verwaltungsbehörden des anderen Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, oder kann der Steuerpflichtige darauf verwiesen werden, dass er nach dem Verfahrensrecht seines Mitgliedstaats bei Auslandssachverhalten die Feststellungslast (objektive Beweislast) trägt?
Normenkette
Art. 56, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a RL 77/799/EWG, § 10b Abs. 1 EStG, § 49 EStDV, § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG
Sachverhalt
Der Kläger begehrte in seiner ESt-Erklärung für das Jahr 2003 den Abzug von Sachspenden (Handtücher, Bettwäsche etc.) i.H.v. 18.189 € an ein Seniorenheim in Portugal als Sonderausgaben.
Das Seniorenheim hatte eine Spendenquittung ausgestellt und war nach portugiesischem Recht als gemeinnützig anerkannt.
Das FA versagte den Sonderausgabenabzug mit der Begründung, dass Spenden an Empfänger im Ausland nicht abziehbar seien.
Das FG wies die Klage ab (EFG 2006, 357).
Entscheidung
Der BFH setzte das Revisionsverfahren gem. § 74 FGO aus und legte dem EuGH gem. Art. 234 Abs. 3 EG die im Leitsatz formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Er vertritt die Auffassung, das nach deutschem Recht geltende Abzugsverbot von Auslandsspenden verstoße nicht gegen das Gemeinschaftsrecht. Selbst wenn Spenden unter den Anwendungsbereich des Art. 56 EG fielen, sei die unterschiedliche Behandlung von Spenden nach Art. 58 EG gerechtfertigt: Es sei unverhältnismäßig, allein wegen des Abzugs einer Spende einem Mitgliedstaat die Aufklärung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse eines ausländischen Rechtsträgers aufzubürden, obwohl gegenüber diesem Rechtsträger kein Steueranspruch bestehe und auch nicht geltend gemacht werde.
Hinweis
1. Nach § 10b Abs. 1 EStG i.V.m. § 49 EStDV, § 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 2 KStG ist eine der Voraussetzungen für den Abzug von Spenden als Sonderausgaben, dass der Empfänger eine im Inland ansässige Einrichtung ist. Spenden an im Ausland ansässige gemeinnützige Einrichtungen sind nach deutschem Recht nicht abziehbar.
Das Recht der Gemeinnützigkeit von Körperschaften ist im EU-Recht nicht harmonisiert. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob das Abzugsverbot für Auslandsspenden mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht.
2. Bedenken können sich aus Art. 56 EG ergeben. Danach sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
Allerdings berührt nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG die in Art. 56 EG geregelte Kapitalverkehrsfreiheit nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.
Bereits die Annahme, dass Spenden und insbesondere Sachspenden unter den Begriff "Kapitalverkehr" fallen und deshalb vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werden, drängt sich nicht ohne Weiteres auf. Sie erscheint aber im Hinblick darauf nicht ausgeschlossen, dass in anderen Vorschriften des EU-Rechts "Schenkungen" dem "Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter" zugeordnet werden.
3. Der EuGH hat mit Urteil vom 14.9.2006 in der Rs. C-386/04 – Centro di Musicologia Walter Stauffer (BFH/PR 2006, 438) – entschieden, es sei nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dass § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG solche Körperschaften von der Steuerbefreiung ausnimmt, die im Inland Einkünfte erzielen, aber ihren Sitz im Ausland haben.
Der EuGH hat aber festgestellt,
- dass Maßstab für die Beurteilung als gemeinnützig allein das nationale, also hier das deutsche Recht ist, sodass im Ausland ansässige und dort als gemeinnützig anerkannte Körperschaften nicht automatisch im Inland als gemeinnützig gelten,
- dass die Wirksamkeit der Steueraufsicht ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Beschränkung der vom EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen kann.
4. Vor diesem Hintergrund kann mit der Entscheidung in der Rechtssache Stauffer noch nicht die Frage als mitentschieden angesehen werden, ob es gemeinschaftswid...