Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahresabschluss, Einsichtsrechte Dritter
Leitsatz (amtlich)
1.
Die Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs konnte, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) erlassen werden.
2.
Die Prüfung der ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.
3.
Die Prüfung der dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und der vierten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab des Grundsatzes der Gleichbehandlung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.
Normenkette
EWGRL 605/90; EGVtr Art. 44 Abs. 2
Beteiligte
Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG |
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 25.11.2002; ABL.EU 2003, Nr. C 44/12) |
Tatbestand
„Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung ‐ Gesellschaftsrecht ‐ Richtlinie 90/605/EWG zur Änderung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG ‐ Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) ‐ Gesellschaft mit der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, bei der alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben ‐ GmbH & Co. KG ‐ Offenlegung der Jahresabschlüsse ‐ Möglichkeit für Dritte, diese Unterlagen einzusehen ‐ Begriff des Dritten ‐ Einbeziehung u. a. der Konkurrenten ‐ Gültigkeit ‐ Rechtsgrundlage ‐ Grundsätze der freien Berufsausübung, der Pressefreiheit und der Gleichbehandlung“
In den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG
eingereicht vom Landgericht Essen (Deutschland) und vom Landgericht Hagen (Deutschland) mit Beschlüssen vom 25. November 2002 und 11. Februar 2003, eingegangen am 2. Dezember 2002 und 5. März 2003, in den Verfahren
Axel Springer AG
gegen
Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG (C-435/02),
und
Axel Springer AG
gegen
Hans-Jürgen Weske (C-103/03),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,Kanzler: R. Grass,
nach Mitteilung an die vorlegenden Gerichte, dass der Gerichtshof gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden beabsichtigt,
nach Aufforderung der Beteiligten im Sinne von Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes zur Einreichung etwaiger Stellungnahmen,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit der Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (ABl. L 317, S. 60).
2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten der Axel Springer AG (im Folgenden: Springer) gegen die Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG (im Folgenden: Zeitungsverlag Niederrhein) (C-435/02) und gegen Herrn Weske, den Geschäftsführer der Radio Ennepe-Ruhr-Kreis mbH & Co. KG (im Folgenden: Radio Ennepe) (C-103/03), wegen Anträgen von Springer auf Einsicht in die Jahresabschlüsse des Zeitungsverlags Niederrhein und von Radio Ennepe.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3
Nach Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) wirken der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit hin, indem sie, soweit erforderlich, die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 Absatz 2 EG) im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten.
4
Die Richtlinie 90/605 erging zur Änderung des Anwendungsbereichs u. a. der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11, im Folgenden: Vierte Gesellschaftsrichtlinie).
5
D...