Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Verbrauchsteuersatz für Bier, Bier aus kleinen unabhängigen Brauereien, Kriterien der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit
Leitsatz (amtlich)
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin zu verstehen, dass eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass strukturelle Verflechtungen bei Beteiligungen und Stimmrechten bestehen, und die ein und derselben Person, die in mehreren der betroffenen Brauereien Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten die Möglichkeit bietet, auf geschäftliche Entscheidungen dieser Brauereien Einfluss zu nehmen, es ausschließt, diese Brauereien als voneinander wirtschaftlich unabhängig anzusehen.
Normenkette
EWGRL 83/92 Art. 4 Abs. 2
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern ‐ Richtlinie 92/83/EWG ‐ Art. 4 Abs. 2 ‐ Kleine Brauerei, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist ‐ Kriterien der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit ‐ Möglichkeit, unter mittelbarem Einfluss zu stehen“
In der Rechtssache C-83/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Thüringer Finanzgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2008, in dem Verfahren
Glückauf Brauerei GmbH
gegen
Hauptzollamt Erfurt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und G. Arestis (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Glückauf Brauerei GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Deiters und J. Werner, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou, S. Alexandriou und I. Pouli als Bevollmächtigte,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und C. Guerra Santos als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Mölls als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316, S. 21).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft deutschen Rechts Glückauf Brauerei GmbH (im Folgenden: Glückauf) und dem Hauptzollamt Erfurt (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Weigerung des Letzteren, auf Glückauf den ermäßigten Verbrauchsteuersatz für Bier anzuwenden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 92/83 lautet: „Für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes ist es erforderlich, für alle betroffenen Erzeugnisse gemeinsame Definitionen festzulegen.“
4
Nach dem siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sind für Bier aus kleinen unabhängigen Brauereien und Ethylalkohol aus kleinen Brennereien gemeinsame Regelungen festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten auf diese Erzeugnisse ermäßigte Verbrauchsteuersätze anwenden können.
5
Nach dem siebzehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie dürfen in Fällen, in denen die Mitgliedstaaten zur Anwendung ermäßigter Sätze ermächtigt sind, derartige Sätze nicht dazu führen, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verzerren.
6
Art. 4 der Richtlinie 92/83 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten können auf Bier, das von kleinen unabhängigen Brauereien gebraut wird, ermäßigte Steuersätze, die je nach Jahresausstoß der betreffenden Brauereien gestaffelt werden können, unter folgenden Voraussetzungen anwenden:
‐ die ermäßigten Steuersätze gelten nicht für Unternehmen, die jährlich mehr als 200 000 hl Bier herstellen;
‐ die ermäßigten Steuersätze, die den Mindestsatz unterschreiten können, dürfen nicht um mehr als 50 % unter dem normalen nationalen Verbrauchsteuersatz liegen.
(2) Zum Zwecke der Anwendung der ermäßigten Steuersätze gilt als kleine unabhängige Brauerei eine Brauerei, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von denen anderer Brauereien getrennt sind, und kein Lizenznehmer ist. Sofern zwei oder mehrere kleine Brauereien zusammenarbeiten und deren gemeinsamer Jahresausstoß 200 000 hl nicht übersteigt, können diese Brauereien jedoch als eine einzige kleine unabhängige Brauerei behandelt werden.
(3) Die Mitgliedstaaten sorgen daf...