Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit, Leistungsaustausch, Ort der Dienstleistung, Telekommunikationsdienstleistung, Verkauf von Telefonkarten an einen Zwischenhändler
Leitsatz (amtlich)
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Telefonanbieter, der Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, die darin bestehen, dass an einen Vertriebshändler Telefonkarten verkauft werden, die alle notwendigen Informationen zur Tätigung internationaler Anrufe über die von diesem Anbieter zur Verfügung gestellte Infrastruktur enthalten und die vom Vertriebshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung entweder unmittelbar oder über andere Steuerpflichtige wie Groß- und Einzelhändler an Endnutzer weiterverkauft werden, eine entgeltliche Telekommunikationsdienstleistung an den Vertriebshändler erbringt. Dagegen erbringt der betreffende Anbieter keine zweite entgeltliche Dienstleistung an den Endnutzer, wenn dieser, nachdem er die Telefonkarte erworben hat, von dem Recht Gebrauch macht, mit Hilfe der Informationen auf der Karte Anrufe zu tätigen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1
Beteiligte
The Commissioners for HM Revenue and Customs |
Verfahrensgang
First-Tier Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 22.10.2010; ABl. EU 2011, Nr. C 30/29) |
Tatbestand
„Steuerwesen ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 2 ‐ Dienstleistungen gegen Entgelt ‐ Telekommunikationsdienstleistungen ‐ Im Voraus bezahlte Telefonkarten mit Informationen, die die Tätigung internationaler Anrufe ermöglichen ‐ Vertrieb über ein Netz von Vertriebshändlern“
In der Rechtssache C-520/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 22. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 8. November 2010, in dem Verfahren
Lebara Ltd
gegen
Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und T. von Danwitz (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Lebara Ltd, vertreten durch P. Lasok, QC, und M. Angiolini, Barrister, beauftragt durch S. Macherla, Solicitor,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway und L. Seeboruth als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Paraskevopoulou, M. Germani und I. Pouli als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. de Ree, M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und C. Soulay als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2011
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 (ABl. L 260, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lebara Ltd (im Folgenden: Lebara) und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) über einen von Letzteren erlassenen Steuerbescheid in Bezug auf Mehrwertsteuer, die Lebara wegen von ihr im März 2005 erbrachter Telekommunikationsdienstleistungen schulden soll.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301, im Folgenden: Erste Richtlinie) lautet:
„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.
Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands ...