Entscheidungsstichwort (Thema)
Tabakwaren, System von Kleinverkaufsmindestpreisen, Zigaretten, einzelstaatliche Vorschriften über die Einhaltung vorgeschriebener Preise
Leitsatz (amtlich)
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer in der durch die Richtlinie 2002/10/EG des Rates vom 12. Februar 2002 geänderten Fassung verstoßen, dass sie ein System von Kleinverkaufsmindestpreisen für in Frankreich in den Verkehr gebrachte Zigaretten sowie ein Verbot, Tabakerzeugnisse „zu einem Sonderangebotspreis zu verkaufen, der den Zielen der öffentlichen Gesundheit zuwiderläuft“, erlassen und beibehalten hat.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten.
Normenkette
EGRL 59/1995 Art. 9 Abs. 1
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Richtlinie 95/59/EG ‐ Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer ‐ Art. 9 Abs. 1 ‐ Freie Bestimmung der Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse durch Hersteller und Einführer ‐ Nationale Regelung, die Kleinverkaufsmindestpreise für Zigaretten vorschreibt ‐ Nationale Regelung, nach der der Verkauf von Tabakerzeugnissen ‘zu einem Sonderangebotspreis, der den Zielen der öffentlichen Gesundheit zuwiderläuft’, verboten ist ‐ Wendung ‘einzelstaatliche Rechtsvorschriften über die Preisüberwachung oder die Einhaltung der vorgeschriebenen Preise’ ‐ Rechtfertigung ‐ Schutz der öffentlichen Gesundheit ‐ Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums“
In der Rechtssache C-197/08
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 14. Mai 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, J.-S. Pilczer, J.-C. Gracia und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. şereŞ, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Oktober 2009
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/10/EG des Rates vom 12. Februar 2002 (ABl. L 46, S. 26) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 95/59) verstoßen hat, dass sie ein System von Kleinverkaufsmindestpreisen für in Frankreich in den Verkehr gebrachte Zigaretten sowie ein Verbot, Tabakerzeugnisse „zu einem Sonderangebotspreis zu verkaufen, der den Zielen der öffentlichen Gesundheit zuwiderläuft“, erlassen und beibehalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 2
Die Erwägungsgründe 2, 3 und 7 der Richtlinie 95/59 lauten:
„(2) Ziel des [EG-]Vertrags ist es, eine Wirtschaftsunion mit gesundem Wettbewerb und binnenmarktähnlichen Verhältnissen zu schaffen. Im Bereich der Tabakwaren setzt dies voraus, dass die in den Mitgliedstaaten auf die Erzeugnisse dieses Sektors erhobenen Verbrauchsteuern die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen und den freien Verkehr dieser Erzeugnisse im Gemeinsamen Markt nicht behindern.
(3) Die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern muss insbesondere dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird und dass es zur Öffnung der nationalen Märkte der Mitgliedstaaten kommt.
…
(7) Die Erfordernisse des freien Wettbewerbs bedingen eine freie Preisbildung für alle Gruppen von Tabakwaren.“
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Als Tabakwaren gelten:
a) Zigaretten,
b) Zigarren und Zigarillos,
c) Rauchtabak:
‐ Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten,
‐ anderer Rauchtabak
entsprechend den Definitionen in den Artikeln 3 bis 7.“
Rz. 4
Art. 8 der Richtlinie 95/59 sieht vor:
„(1) In der Gemeinschaft hergestellte Zigaretten und aus Drittländern eingeführte Zigaretten unterliegen in jedem Mitgliedstaat einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis einschließlich Zölle berechneten proportionalen Verbrauchsteuer sowie einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer.
(2) Der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen...