Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage beim Verkauf von Gebrauchtgegenständen
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Entscheidung ging es um die Frage, ob ein Einzelhändler, der Gebrauchtgegenstände von Privatpersonen erworben hat, den Weiterverkauf in voller Höhe zu versteuern hat, ohne daß die im Einkaufspreis enthaltene Restmehrwertsteuer berücksichtigt wird. Der EuGH hat diese Frage bejaht und entschieden, daß innerstaatliche Regelungen, die eine volle Versteuerung beim Verkauf von Gebrauchtgegenständen trotz fehlenden Vorsteuerabzugs vorsehen, mit dem Gemeinschaftsrecht zur Zeit der Entscheidung vereinbar sind.
Beteiligte
Inspecteur der Omzetbelasting Amsterdam |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
„Mehrwertsteuer – Regelung für den Wiederverkauf von Gebrauchtgegenständen”
In der Rechtssache C-165/88
betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vom Gerechtshof Amsterdam in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
ORO Amsterdam Beheer BV und Concerto BV
gegen
Inspecteur der Omzetbelasting Amsterdam
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Frage, ob eine nationale Regelung, wonach auf die Lieferung von Gebrauchtgegenständen Umsatzsteuer in voller Höhe zu erheben ist, ohne daß dabei dem Umstand Rechnung getragen wird, daß diese Gegenstände Privatpersonen abgekauft worden sind und daher schon mit einer Reststeuer belastet sind, mit dem Gemeinschaftsrecht, namentlich mit Artikel 32 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie des Rates (77/388) vom 17. Mai 1977, vereinbar ist,
erläßt
Der Gerichtshof
unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, des Kammerpräsidenten C. N. Kakouris, der Richter T. Koopmans, R. Joliet, J. C. Moitinho de Almeida, G. C. Rodríguez Iglesias und F. Grévisse,
Generalanwalt: G. Tesauro
Kanzler: J. A. Pompe, Hilfskanzler
Beteiligte, die Erklärungen abgegeben haben:
die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihren Rechtsberater J. F. Buhl und durch B. J. Drijber, Juristischer Dienst der Kommission, als Bevollmächtigte,
die niederländische Regierung, vertreten durch E. F. Jacobs und M. A. Fierstra als 8evollmächtigte,
die ORO Amsterdam Beheer BV und die Concerto BV, vertreten durch W. Molenaar als Geschäftsführer und durch G. Molenaar als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 1989
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Oktober 1989
folgendes
Urteil
1 Der Gerichtshof Amsterdam hat mit Beschluß vom 24. Mai 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des EWG-Vertrags und der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, nachstehend: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob das niederländische Steuerrecht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, soweit es keine besonderen Bestimmungen für die Anwendung des Mehrwertsteuersystems auf den Handel mit Gebrauchtgegenständen umfaßt, wenn diese zum Zweck des Wiederverkaufs Privatpersonen abgekauft worden sind.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der ORO Amsterdam Beheer BV und der Concerto BV einerseits und der niederländischen Finanzverwaltung andererseits wegen der Mehrwertsteuer, die für den im Dezember 1986 erzielten Umsatz geschuldet wird.
3 Nach den Akten verkauften die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die einen Handel mit neuen und gebrauchten Schallplatten, Musikkassetten und Compact Discs betreiben, im Dezember 1986 Gegenstände zu einem Gesamtbetrag von 256698 HFL ohne Mehrwertsteuer, wovon ein Teilbetrag von 250915 HFL mit einer 20%igen Mehrwertsteuer belastet ist. Unter Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs zahlten die Klägerinnen Mehrwertsteuer in Höhe von 37608 HFL an die Verwaltung.
4 Jedoch erhoben die Klägerinnen am 5. März 1987 eine Klage beim Gerichtshof Amsterdam, mit der sie beantragten, ihnen die gezahlte Steuer in Höhe von 6251 HFL zu erstatten, da von der für die Verkäufe vom Dezember 1986 geschuldeten Steuer der Mehrwertsteuerbetrag abgezogen werden müsse, der noch im Preis der Gegenstände enthalten sei, die sie von Privatpersonen angekauft hätten. Die Klägerinnen bezifferten diesen Betrag pauschal auf 20/120 der Summe der im Dezember 1986 getätigten Ankäufe von Gebrauchtgegenständen, das heißt auf 37509 HFL, und verlangten die Erstattung von 6251 HFL.
5 Der Gerichtshof Amsterdam stellte fest, daß keine Bestimmung des niederländischen Steuerrechts die Möglichkeit eröffne, die Steuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Gebrauchtgegenstände noch belastet seien, die ein Steuerpflichtiger von einer nichtsteuerpflichtigen Privatperson gekauft habe. Nach den Mehrwertsteuerrichtlinien sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei jedoch eines der Hauptmerkmale des Me...