Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Union. Bestimmungen zur Preisfestsetzung. Pflichtangaben bei der Darstellung der der Öffentlichkeit zugänglichen Preise. Pflicht zur Ausweisung der tatsächlich anfallenden Steuern, Gebühren, Zuschläge oder Entgelte. Preisfreiheit. Erhebung von Bearbeitungsgebühren im Fall eines vom Fluggast stornierten oder nicht angetretenen Fluges. Verbraucherschutz
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 Art. 22 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 Art. 23 Abs. 1
Beteiligte
Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG |
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V |
Tenor
1. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft ist dahin auszulegen, dass Luftfahrtunternehmen die von den Kunden für die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b bis d dieser Verordnung geschuldeten Beträge bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise gesondert ausweisen müssen und sie daher nicht – auch nicht teilweise – in den Flugpreis gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a der Verordnung einbeziehen dürfen.
2. Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Anwendung einer nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zur Nichtigerklärung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen führen kann, nach der von Kunden, die einen Flug nicht angetreten oder storniert haben, gesonderte pauschalierte Bearbeitungsentgelte erhoben werden können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Mai 2016, in dem Verfahren
Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG
gegen
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Knospe,
- des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., vertreten durch Rechtsanwalt P. Wassermann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch K. Stranz und T. Henze als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, K.-P. Wojcik und F. Wilman als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Air Berlin) und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (im Folgenden: Bundesverband) wegen einer Unterlassungsklage, die der Bundesverband gegen Praktiken von Air Berlin bei der auf ihrer Website abrufbaren Darstellung ihrer Preise und hinsichtlich ihrer dort einsehbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhoben hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 93/13/EWG
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) sieht vor:
„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.
…”
Rz. 4
Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sehen „[d]ie Mitgliedstaaten ...