Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzüberschreitende Personenbeförderung – Aufteilung des Entgelts nach zurückgelegten Strecken
Leitsatz (redaktionell)
Der EuGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Ortsbestimmung nach Artikel 9 Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie für Beförderungsleistungen verlangt, daß bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen das Entgelt nach den zurückgelegten Strecken aufgeteilt werden muß oder ob hierbei z.B. auch Stand- und Wartezeiten des Beförderungsmittels zu berücksichtigen sind und eine Entgeltaufteilung nach Kostengesichtspunkten möglich ist.
Nach der Entscheidung ist Artikel 9 Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie nicht nur eine Ortsbestimmung für Beförderungsleistungen. Nach dieser Vorschrift ist bei einer grenzüberschreitenden Personenbeförderungsleistung das Entgelt zur Ermittlung des in jedem Mitgliedstaat steuerbaren Teils der Beförderung nach dem Verhältnis der in dem jeweiligen Mitgliedstaat zurückgelegten Strecke aufzuteilen.
Der EuGH hat sich insoweit über die Schlußanträge des Generalanwalts und auch die Auffassung der Europäischen Kommission hinweggesetzt. Diese hatten die Auffassung vertreten, das Entgelt müsse im Verhältnis der Gesamtkosten der Beförderung innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaates aufgeteilt werden. Diese Kosten enthielten sowohl die streckenabhängigen Kosten als auch solche, die von den Aufenthalts- und Wartezeiten des Beförderungsmittels abhängen.
Das Urteil bestätigt die deutsche Rechtslage (§ 3 b Abs. 1 UStG, Abschnitt 42 a Abs. 3 - 5 UStR).
Beteiligte
Finanzamt Stuttgart-Körperschaften |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Grenzüberschreitender Personenverkehr – Ort und Grundlage der Besteuerung der Beförderungsleistung”
In der Rechtssache C-116/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Bundesfinanzhof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Reisebüro Binder GmbH
gegen
Finanzamt Stuttgart-Körperschaften
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und P. Jann,
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Reisebüro Binder GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Goth, München,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Oberregierungsrat Bernd Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Jürgen Grunwald, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Reisebüro Binder GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Goth, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder, und der Kommission, vertreten durch Jürgen Grunwald in der Sitzung vom 5. Juni 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juli 1997,
folgendes
Urteil
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 8. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; nachstehend: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Reisebüro Binder GmbH (nachstehend: Binder GmbH) und dem Finanzamt Stuttgart-Körperschaften über die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer für Beförderungsleistungen, die im Rahmen grenzüberschreitender Busreisen zu einem Pauschalpreis erbracht werden.
3 Artikel 9 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.
(2) Es gilt jedoch
…
- als Ort einer Beförderungsleistung der Ort, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet;
…”
4 Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage im Inland gewöhnlich „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Liefere...