Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Verkauf von Mineralölerzeugnissen, Verkauf an Grenztankstellen, Griechenland, Verstoß gegen Unionsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG verstoßen, dass sie Rechtsvorschriften erlassen und aufrechterhalten hat, wonach an den Tankstellen der Katastimata Aforologiton Eidon AE an den Grenzübergangsstellen Kipoi Evrou (Griechenland), Kakavia (Griechenland) und Euzonoi (Griechenland), die in an Drittländer ‐ nämlich die Republik Türkei, die Republik Albanien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ‐ angrenzenden Regionen liegen, der Verkauf von steuerfreien Mineralölerzeugnissen erlaubt ist.
2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten.
Normenkette
EGRL 118/2008 Art. 7 Abs. 1
Beteiligte
Kommission / Griechenland |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Richtlinie 2008/118/EG ‐ Art. 7 ‐ Allgemeines Verbrauchsteuersystem ‐ Versorgung mit Mineralölerzeugnissen ohne Erhebung von Verbrauchsteuer ‐ Tankstellen an den Grenzen der Hellenischen Republik zu Drittländern ‐ Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs ‐ Begriff ‚Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr‘ von verbrauchsteuerpflichtigen Waren ‐ Begriff ‚Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung‘“
In der Rechtssache C-590/16
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 21. November 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch F. Tomat und A. Kyratsou als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Hellenische Republik, vertreten durch E.-M. Mamouna und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12) verstoßen hat, dass sie Rechtsvorschriften erlassen und aufrechterhalten hat, wonach an den Tankstellen der Katastimata Aforologiton Eidon AE (im Folgenden: KAE) an den Grenzübergangsstellen Kipoi Evrou (Griechenland), Kakavia (Griechenland) und Euzonoi (Griechenland), die in an Drittländer ‐ nämlich die Republik Türkei, die Republik Albanien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ‐ angrenzenden Regionen liegen, der Verkauf von steuerfreien Mineralölerzeugnissen erlaubt ist.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2008/118
Rz. 2
Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 lautet:
„Da es nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind, muss auf Gemeinschaftsebene klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.“
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:
a) Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG [des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51)];
…“
Rz. 4
Art. 2 der Richtlinie sieht vor:
„Verbrauchsteuerpflichtige Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit
a) ihrer Herstellung, gegebenenfalls einschließlich ihrer Förderung, innerhalb des Gebiets der Gemeinschaft;
b) ihrer Einfuhr in das Gebiet der Gemeinschaft.“
Rz. 5
In Art. 4 der Richtlinie heißt es:
„Im Sinne dieser Richtlinie und ihrer Durchführungsbestimmungen gelten folgende Definitionen:
1. Ein ‚zugelassener Lagerinhaber‘ ist eine natürliche oder juristische Person, die von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ermächtigt wurde, in Ausübung ihres Berufs im Rahmen eines Verfahrens der Steueraussetzung verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem Steuerlager herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, zu empfangen oder zu versenden.
2. ‚Mitgliedstaat‘ und ‚Gebiet eines Mitgliedstaats‘ ist das Gebiet eines jeden Mitgliedstaats der Gemeinschaft, auf das der Vertrag gemäß seinem Artikel 299 Anwendu...