Entscheidungsstichwort (Thema)
Kunst- und Sammlungsgegenstände, kein ermäßigter Steuersatz bei Auktion im Rahmen einer vorübergehenden Verwendung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Nummer 1, 5 Absatz 4 Buchstabe c, 12 Absatz 3 und 16 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 1999/49/EG des Rates vom 25. Mai 1999 verstoßen, indem es einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die bei der Versteigerung von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten, die im Rahmen der Regelung zur vorübergehenden Verwendung eingeführt wurden, an die Auktionatoren gezahlte Provision angewandt hat.
2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten des Verfahrens.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1, Art. 5 Abs. 4 Buchst. c, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 Abs. 1
Beteiligte
Kommission / Vereinigtes Königreich |
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland |
Verfahrensgang
EU-Kommission/Vereinigtes Königreich (Entscheidung vom 16.07.2003) |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 2 Nummer 1, 5 Absatz 4 Buchstabe c, 12 Absatz 3 und 16 Absatz 1 ‐ Umsatz im Inland ‐ Versteigerung von Kunstgegenständen, die im Rahmen der Regelung der vorübergehenden Verwendung eingeführt wurden ‐ Provision der Auktionatoren“
In der Rechtssache C-305/03
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 16. Juli 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Jackson und R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von N. Paines, QC, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, S. von Bahr, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. Februar 2005
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Nummer 1, 5 Absatz 4 Buchstabe c, 12 Absatz 3 und 16 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 1999/49/EG des Rates vom 25. Mai 1999 (ABl. L 139, S. 27) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) verstoßen hat, indem es einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die bei der Versteigerung von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten (im Folgenden: Kunstgegenstände), die im Rahmen der Regelung der vorübergehenden Verwendung eingeführt wurden, an die Auktionatoren gezahlte Provision angewandt hat.
2
Die vorliegende Klage betrifft genauer gesagt die Behandlung der Mehrwertsteuer bei Versteigerungen von Kunstgegenständen, die im Vereinigten Königreich einer Regelung der vorübergehenden Verwendung unterliegen und nach ihrer Versteigerung in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt werden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
Sechste Richtlinie
3
Artikel 2 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen.“
4
Nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c der Richtlinie gilt als Lieferung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 auch
„die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrages über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission“.
5
Artikel 11 Teil B Absätze 1, 3 und 6 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Besteuerungsgrundlage ist, auch für die Einfuhr von Gegenständen im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b), der Wert, der durch die geltenden Gemeinschaftsvorschriften als Zollwert bestimmt ist.
…
(3) In die Besteuerungsgrundlage sind einzubeziehen, soweit nicht bereits darin enthalten:
a) die außerhalb des Einfuhrmitgliedstaats sowie die aufgrund der Einfuhr geschuldeten Steuern, Zölle, Abschöpfungen und sonstigen Abgaben, mit Ausnahme der zu erhebenden Mehrwertsteuer;
b) die Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die bis zum ersten im Einfuhrmitgliedstaat gelegenen Bestimmun...