Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Anwendung des Endverwendungsverfahrens. Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollunion. Zollkodex der Union. Bewilligung für die Inanspruchnahme der Endverwendung. Rückwirkung. Begriff ‚außergewöhnliche Umstände’. Änderung der zolltariflichen Einreihung. Verlust der Gültigkeit einer Entscheidung über eine verbindliche Zolltarifauskunft
Normenkette
EUV 2446/2015 Art. 172 Abs. 2
Beteiligte
Direktor na Teritorialna direktsia „Dunavska” kam Agentsia „Mitnitsi” |
Prokuror ot Varhovna administrativna prokuratura na Republika Bulgaria |
Verfahrensgang
Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 10.05.2019; ABl. EU 2019 Nr. C 280/24) |
Tenor
Art. 172 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union ist dahin auszulegen, dass Umstände wie das vorzeitige Ende der Gültigkeit einer Entscheidung über eine verbindliche Zolltarifauskunft infolge einer Änderung der Kombinierten Nomenklatur, das Fehlen einer Reaktion der Zollbehörden angesichts von Einfuhren mit falschem Code oder der Umstand, dass die Ware für einen vom Antidumpingzoll befreiten Zweck verwendet wurde, nicht als „außergewöhnliche Umstände” im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können, um gemäß Art. 254 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union eine rückwirkende Bewilligung für die Inanspruchnahme der Endverwendung, wie in dieser Bestimmung vorgesehen, erteilen zu können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Bulgarien) mit Entscheidung vom 10. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2019, in dem Verfahren
”Unipack” AD
gegen
Direktor na Teritorialna direktsia „Dunavska” kam Agentsia „Mitnitsi”,
Prokuror ot Varhovna administrativna prokuratura na Republika Bulgaria
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „Unipack” AD, vertreten durch D. Dobrev und L. Angelov, advokati,
- der bulgarischen Regierung, vertreten durch L. Zaharieva und E. Petranova als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart, N. Nikolova, M. Salyková, N. Kuplewatzky und A. Caeiros als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 172 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Unipack” AD und dem Direktor na Teritorialna direktsia „Dunavska” kam Agentsia „Mitnitsi” (Direktor der Territorialdirektion „Donauraum” der Zollbehörde, Bulgarien) sowie dem Prokuror ot Varhovna administrativna prokuratura na Republika Bulgaria (Staatsanwalt bei der Obersten Verwaltungsstaatsanwaltschaft der Republik Bulgarien) wegen Wareneinfuhren, die Unipack vor Einreichung des Antrags auf Bewilligung der Inanspruchnahme der Endverwendung vorgenommen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EU) Nr. 952/2013
Rz. 3
Art. 15 („Übermittlung von Informationen an die Zollbehörden”) der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union) sieht vor:
„(1) Auf Verlangen der Zollbehörden und innerhalb der gesetzten Frist übermitteln die unmittelbar oder mittelbar an der Erfüllung von Zollformalitäten oder an Zollkontrollen beteiligten Personen den Zollbehörden in geeigneter Form alle erforderlichen Unterlagen und Informationen und gewähren ihnen die erforderliche Unterstützung, damit diese Formalitäten oder Kontrollen abgewickelt werden können.
(2) Der Beteiligte ist mit Abgabe einer Zollanmeldung, einer Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung, einer summarischen Eingangsanmeldung, einer summarischen Ausgangsanmeldung, einer Wiederausfuhranmeldung oder einer Wiederausfuhrmitteilung einer Person an die Zollbehörden, oder mit Stellung eines Antrags auf eine Bewilligung oder eine sonstige Entscheidung für alle folgenden Umstände verantwortlich
- für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen in der Anmeldung, der Mitteilung oder dem Antrag,
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