Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzbesteuerung, Reiseleistungen, Isolierter Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro
Leitsatz (amtlich)
Art. 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er auf den isolierten Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne Erbringung einer Reiseleistung nicht anwendbar ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 26
Beteiligte
Minerva Kulturreisen GmbH |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 26 ‐ Sonderregelung für Reisebüros und Reiseveranstalter ‐ Anwendungsbereich ‐ Verkauf von Opernkarten ohne zusätzlich erbrachte Leistungen“
In der Rechtssache C-31/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Januar 2010, in dem Verfahren
Minerva Kulturreisen GmbH
gegen
Finanzamt Freital
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Minerva Kulturreisen GmbH, vertreten durch P. Fröhler, A. Kellner und B. Juschten,
‐ des Finanzamts Freital, vertreten durch V. Rummer,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, C. Poulakos und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Minerva Kulturreisen GmbH (im Folgenden: Minerva) und dem Finanzamt Freital (im Folgenden: Finanzamt) wegen der Anwendung der Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 26 der Sechsten Richtlinie auf den isolierten Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Art. 26 Abs. 1 und 2 („Sonderregelung für Reisebüros“) der Sechsten Richtlinie, der in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Reisebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe c anzuwenden ist. Im Sinne dieses Artikels gelten als Reisebüros auch Reiseveranstalter.
(2) Die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Sie wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat. Für diese Dienstleistung gilt als Besteuerungsgrundlage und als Preis ohne Steuer im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Buchstabe b die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.“
Nationales Recht
Rz. 4
§ 25 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) von 1993 (BGBl. 1993 I S. 565) sieht vor:
„(1) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. … Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute...