Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Krankenhausbehandlung, Stammzellenbank, Entnahme und Aufbereitung von Nabelschnurblut
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der mit der „Krankenhausbehandlung und [der] ärztliche[n] Heilbehandlung … eng verbundenen Umsätze“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er keine Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren fraglichen erfasst, die in der Entnahme, der Beförderung und der Analyse von Nabelschnurblut sowie in der Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen bestehen, wenn die ärztliche Heilbehandlung im Krankenhaus, mit der diese Tätigkeiten nur eventuell verbunden sind, weder stattgefunden noch begonnen hat, noch geplant ist.
2. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388 steht einer Qualifikation eines Steuerpflichtigen wie der CopyGene A/S durch die nationalen Behörden als „andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art“ wie Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik im Sinne dieser Bestimmung entgegen, wenn Stammzellenbanken Leistungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art durch medizinisches Fachpersonal erbringen, aber keine finanzielle Unterstützung durch das staatliche System der sozialen Sicherheit erhalten und die Kosten der von ihnen erbrachten Leistungen nicht von diesem System gedeckt werden, obwohl ihnen von den zuständigen Gesundheitsbehörden eines Mitgliedstaats im Rahmen der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen eine Genehmigung zum Umgang mit menschlichen Geweben und Zellen erteilt worden ist. Jedoch kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie als solche von den zuständigen Behörden verlangt, eine Gleichstellung einer privaten Stammzellenbank mit einer für die Zwecke der fraglichen Steuerbefreiung „ordnungsgemäß anerkannten“ Einrichtung abzulehnen. Erforderlichenfalls ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen, ob die Versagung der Anerkennung für die Zwecke der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie dem Unionsrecht, insbesondere dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, entspricht.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Verfahrensgang
Østre Landsret (Dänemark) (Urteil vom 13.06.2008; Abl.EU 2008, Nr. C 209/33) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Befreiungen ‐ Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b ‐ Krankenhausbehandlung und ärztliche Heilbehandlung ‐ Damit eng verbundene Umsätze ‐ Ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen gleicher Art wie Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik ‐ Private Stammzellenbank ‐ Dienstleistungen der Entnahme, der Beförderung, der Analyse und der Lagerung von Nabelschnurblut Neugeborener ‐ Mögliche autologe oder allogene Verwendung der Stammzellen“
In der Rechtssache C-262/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Østre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 13. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2008, in dem Verfahren
CopyGene A/S
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. şereŞ, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der CopyGene A/S, vertreten durch A. Hedetoft und M. Andersen, advokater,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte und D. Auken, advokat,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, I. Bakopoulos, G. Kanellopoulos und I. Pouli als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. September 2009
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstrei...