Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Steuerschuld, Rundung von Beträgen, Rundung pro Umsatzbetrag, Rundung des geschuldeten Gesamtbetrags, Neutralitätsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, insbesondere die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden.
2. Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Verpflichtung, wonach die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen die Abrundung des Mehrwertsteuerbetrags pro Artikel gestatten müssen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 22 Abs. 3-5
Beteiligte
Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV |
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 24.11.2006; Abl.EU 2007, Nr. C 20/11) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Erste und Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität ‐ Regeln für die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen ‐ Abrundung pro Artikel“
In der Rechtssache C-484/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 24. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 27. November 2006, in dem Verfahren
Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV, vertreten durch G. C. Bulk, adviseur, und M. Hamer, advocaat,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Grave als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou, M. Tassopoulou und G. Skiani als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch E. Osniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von I. Hutton, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou, A. Weimar und P. van Nuffel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. Januar 2008
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Abs. 3 Buchst. b und 5 sowie Art. 11 Teil A der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV, einer steuerlichen Einheit, zu der die Albert Heijn BV gehört, und dem Staatssecretaris van Financiën (Finanzstaatssekretär), nachdem der Inspecteur van de Belastingdienst (Inspekteur der niederländischen Finanzverwaltung, im Folgenden: Inspecteur) ihren Einspruch betreffend Mehrwertsteuererstattung in Höhe von 1 414 Euro zurückgewiesen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301, im Folgenden: Erste Richtlinie) lautet:
„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchssteuer anzuwenden ist.
Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.
Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wird bis auf die Einzelhandelsstufe einschließlich angewandt.
…“
4
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung...