Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Aufträge. Begriff ‚öffentlicher Auftrag’. Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften. Übertragung der Aufgabe der Reinigung bestimmter Räumlichkeiten durch eine Körperschaft auf eine andere gegen finanzielle Entschädigung
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG Art. 1 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG |
Tenor
Ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem, ohne eine Zusammenarbeit zwischen den vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe vorzusehen, eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, und die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe Dritter bedienen darf, die unter Umständen in der Lage sind, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden, ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2011, in dem Verfahren
Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG
gegen
Kreis Düren,
weitere Verfahrensbeteiligte:
Stadt Düren,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt L. Wionzeck,
- des Kreises Düren, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Gruneberg und A. Wilden,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, G. Wilms und C. Zadra als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG (im Folgenden: Piepenbrock) und dem Kreis Düren (Deutschland) über den Entwurf eines Vertrags, mit dem der Kreis Düren gegen eine finanzielle Entschädigung die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen, aber in seinem Besitz befindlichen und von ihm genutzten Gebäude auf die Stadt Düren übertrug.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:
„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im [EG-]Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. …”
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„…
(2) a) ‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen,...