Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebot der Gleichbehandlung ausländischer Gesellschaften, wenn gegenüber inländischen Gesellschaften Verzinsung von Steuerguthaben erfolgt
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 52 und 58 EWG-Vertrag verbieten es, daß nach dem Recht eines Mitgliedstaats Zuschläge zur Rückzahlung nicht geschuldeter Steuern Gesellschaften, die ihren steuerlichen Sitz in diesem Staat haben, gewährt, Gesellschaften, die ihren steuerlichen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, jedoch verweigert werden. Der Umstand, daß die letztgenannten Gesellschaften nicht von der Steuer befreit gewesen wären, wenn sie in diesem Staat ansässig gewesen wären, ist insoweit unerheblich.
Normenkette
EWGVtr Art. 52, 58
Beteiligte
Inland Revenue Commissioners |
Verfahrensgang
Queens Bench Division (England) |
Tatbestand
NIEDERLASSUNGSRECHT - GESELLSCHAFTSTEUER - MITTELBARE DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DER STAATSANGEHOERIGKEIT
RECHTSSACHE C-330/91
THE QUEEN
GEGEN
INLAND REVENUE COMMISSIONERS, EX PARTE COMMERZBANK AG
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH
Urteil
1 Die Queen' s Bench Division des High Court of Justice of England and Wales (im folgenden: High Court) hat mit Beschluß vom 12. April 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Dezember 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Vorschriften dieses Vertrages über die Niederlassungsfreiheit und das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft deutschen Rechts Commerzbank AG mit Sitz in Deutschland und den Inland Revenue Commissioners (im folgenden: Steuerbehörde) wegen der Voraussetzungen für die Besteuerung nach dem Income and Corporation Taxes Act (Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz) 1988.
3 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich folgender Sachverhalt:
4 Die Commerzbank hat eine Zweigniederlassung im Vereinigten Königreich, durch die sie zwischen 1973 und 1976 verschiedenen amerikanischen Gesellschaften Darlehen gewährte. Auf die Zinsen, die diese Gesellschaften ihr zahlten, entrichtete sie im Vereinigten Königreich Steuern in Höhe von 4 222 234 UKL.
5 In der Folgezeit beantragte die Commerzbank bei der Steuerbehörde die Rückzahlung dieses Betrages mit der Begründung, daß die Zinsen nach Artikel 15 des Abkommens vom 2. August 1946 zwischen der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerflucht im Bereich der Einkommensteuer (S. R. & O. 1946 Nr. 1327) in der Fassung des Protokolls vom 20. September 1966 (S. I. 1966 Nr. 1188) im Vereinigten Königreich steuerfrei seien. Diese Vorschrift sieht im wesentlichen vor, daß die von einer US-amerikanischen Gesellschaft gezahlten Zinsen im Vereinigten Königreich nur besteuert werden, wenn sie an eine britische Gesellschaft oder an eine Gesellschaft gezahlt werden, die ihren steuerlichen Sitz im Vereinigten Königreich hat. Da die Commerzbank ihren steuerlichen Sitz nicht im Vereinigten Königreich hatte, wurden ihr folglich die ohne Rechtsgrund entrichteten Steuern zurückgezahlt.
6 Im Zusammenhang mit dieser Rückzahlung berief sich die Commerzbank dann auf Section 825 des Income and Corporation Taxes Act 1988. Diese bestimmt:
"1. Diese Section ist auf die folgenden Zahlungen anwendbar, die an eine Gesellschaft im Zusammenhang mit einem Abrechnungszeitraum, in dem sie im Vereinigten Königreich ansässig war, geleistet werden…:
a) die Rückzahlung der Körperschaftsteuer, die die Gesellschaft für diesen Zeitraum entrichtet hat…
2. Wenn nach Ablauf von zwölf Monaten nach dem maßgeblichen Zeitraum vom Board (oberste Finanzbehörde) oder von einem Inspector eine Zahlung von mindestens 100 UKL, auf die diese Section anwendbar ist, geleistet wird, so wird diese Zahlung unbeschadet der folgenden Vorschriften dieser Section um einen Betrag (den 'Zuschlag zur Rückzahlung') erhöht, der den Zinsen auf den gezahlten Betrag zum Satz von 8,25 % p. a. entspricht…"
7 Die Commerzbank verlangte von der Steuerbehörde den Zuschlag zur Rückzahlung, der sich nach ihren Berechnungen auf 5 199 258 UKL belief.
8 Die Steuerbehörde wies das Ersuchen der Commerzbank mit der Begründung zurück, diese sei nicht im Vereinigten Königreich ansässig. Die Commerzbank erhob daraufhin Klage beim High Court, mit der sie die gerichtliche Nachprüfung dieser Entscheidung beantragte und geltend machte, die Weigerung, Nichtansässigen den Zuschlag zur Rückzahlung zu gewähren, stelle eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, da die betroffenen Gesellschaften zumeist ausländische Gesellschaften seien.
9 Der High Court hielt es für erforderlich, dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung der Artikel 5, 7, 52 und 58 EWG-Vertrag zur Voraben...