Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftliches Versandverfahren, Nichtbeachtung der Frist für die Mitteilung der Nichterledigung des Carnet TIR, Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung der Beförderung
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1593/91 der Kommission vom 12. Juni 1991 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 719/91 des Rates über die Verwendung von Carnets TIR und Carnets ATA als Versandpapiere in der Gemeinschaft in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR, unterzeichnet in Genf am 14. November 1975, ist dahin auszulegen, dass die Nichtbeachtung der Frist für die Mitteilung der Nichterledigung des Carnet TIR an den Inhaber dieses Carnet nicht zur Folge hat, dass das Recht der zuständigen Zollbehörden auf Erhebung der für einen mit dem Carnet TIR durchgeführten internationalen Warentransport geschuldeten Zölle und Abgaben verfällt.
2. Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1593/91 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 und 2 des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR, unterzeichnet in Genf am 14. November 1975, ist dahin auszulegen, dass er nur die Frist für die Führung des Nachweises der ordnungsgemäßen Durchführung der Beförderung bestimmt, nicht aber die Frist, innerhalb deren der Nachweis des Ortes zu führen ist, an dem die Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit begangen worden ist. Es obliegt dem nationalen Gericht, nach seinem nationalen Beweisrecht zu bestimmen, ob im konkret zu beurteilenden Fall in Anbetracht aller Umstände der letztgenannte Nachweis fristgerecht erbracht worden ist. Das nationale Gericht muss diese Frist jedoch unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Berücksichtigung dessen beurteilen, dass diese Frist zum einen nicht zu lang sein darf, um die Erhebung der in einem anderen Mitgliedstaat geschuldeten Beträge rechtlich und materiell zu ermöglichen, und dass sie es zum anderen dem Inhaber des Carnet TIR nicht tatsächlich unmöglich machen darf, den erwähnten Nachweis zu führen.
Normenkette
EWGV 1593/91 Art. 2 Abs. 1-3
Beteiligte
Internationaal Verhuis- en Transportbedrijf Jan de Lely |
Internationaal Verhuis- en Transportbedrijf Jan de Lely BV |
Verfahrensgang
Hof van Beroep te Antwerpen (Belgien) (Urteil vom 08.04.2008; Abl.EU 2008, Nr. C 183/10) |
Tatbestand
„Freier Warenverkehr ‐ Gemeinschaftliches Versandverfahren ‐ Beförderungen mit einem Carnet TIR ‐ Zuwiderhandlungen oder Unregelmäßigkeiten ‐ Frist für die Mitteilung ‐ Frist für die Führung des Nachweises des Ortes, an dem die Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit begangen worden ist“
In der Rechtssache C-161/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 8. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2008, in dem Verfahren
Internationaal Verhuis- en Transportbedrijf Jan de Lely BV
gegen
Belgische Staat
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues, U. Lõhmus und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Internationaal Verhuis- en Transportbedrijf Jan de Lely BV, vertreten durch S. Sablon, advocaat,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Schønberg und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1593/91 der Kommission vom 12. Juni 1991 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 719/91 des Rates über die Verwendung von Carnets TIR und Carnets ATA als Versandpapiere in der Gemeinschaft (ABl. L 148, S. 11, im Folgenden: Durchführungsverordnung) in Verbindung mit Art. 11 des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR, unterzeichnet in Genf am 14. November 1975 (im Folgenden: TIR-Übereinkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Unternehmens Internationaal Verhuis- en Transportbedrijf Jan de Lely BV (im Folgenden: Jan de Lely) gegen den belgischen Staat über die Erstattung von Abgaben, die für eine mit einem Carnet TIR durchgeführte Beförderung geschuldet werden.
Rechtlicher Rahmen
Die auf das TIR-Versandverfahren anwendbaren Bestimmungen
Rz. 3
Das Königreich Belgien ist ebenso wie die Europäische Gemeinschaft, die es durch die Verordnung (EWG) Nr. 2112/78 des Rates vom 25. Juli 1978 (ABl. L 252, S. 1) genehmigt hat, Partei des TIR-Übereinkommens. Das Übereinkommen ist für die Gemeinschaft am 20. Juni 1983 in Kraft getreten (ABl. L 31, S. 13).
Rz. 4
Das TIR-Übereink...