Entscheidungsstichwort (Thema)
Antidumpingzölle, Einfuhren von Bettwäsche aus Baumwolle mit Ursprung in Ägypten, Indien und Pakistan, Erstattung von Antidunmpingzöllen, Antragsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Rechtswidrigkeit einer Verordnung keinen Fall höherer Gewalt im Sinne dieser Bestimmung darstellt, der es erlaubt, die Frist von drei Jahren, binnen deren ein Einführer die Erstattung nach dieser Verordnung entrichteter Einfuhrabgaben beantragen kann, zu verlängern.
2. Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es den nationalen Behörden nicht gestattet, gemäß einer Unionsverordnung erhobene Antidumpingzölle auf der Grundlage einer Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Verordnung mit dem Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 in Anhang 1 A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet und durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986‐1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt, durch das Streitbeilegungsgremium von Amts wegen zu erstatten.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 236 Abs. 2
Beteiligte
Compagnie internationale pour la vente à distance (CIVAD) SA |
Administration des douanes |
Directeur régional des douanes et droits indirects de Lille |
Receveur des douanes de Roubaix |
Verfahrensgang
Tribunal d' instance de Roubaix (Frankreich) (Urteil vom 08.11.2010; ABl. EU 2011, Nr. C 30/38) |
Tatbestand
„Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Art. 236 Abs. 2 ‐ Erstattung nicht gesetzlich geschuldeter Abgaben ‐ Frist ‐ Verordnung (EG) Nr. 2398/97 ‐ Endgültiger Antidumpingzoll auf Einfuhren von Bettwäsche aus Baumwolle mit Ursprung in Ägypten, Indien und Pakistan ‐ Verordnung (EG) Nr. 1515/2001 ‐ Erstattung von Antidumpingzöllen, die aufgrund einer später für ungültig erklärten Verordnung erhoben wurden ‐ Begriff ‚Höhere Gewalt‘ ‐ Zeitpunkt der Entstehung der Verpflichtung zur Erstattung von Einfuhrabgaben“
In der Rechtssache C-533/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal d’instance de Roubaix (Frankreich) mit Entscheidung vom 8. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. November 2010, in dem Verfahren
Compagnie internationale pour la vente à distance (CIVAD) SA
gegen
Receveur des douanes de Roubaix,
Directeur régional des douanes et droits indirects de Lille,
Administration des douanes
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Compagnie internationale pour la vente à distance (CIVAD) SA, vertreten durch F. Citron und B. Servais, avocats,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, B. Cabouat, J.-S. Pilczer und C. Candat als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Bouyon und H. van Vliet als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2011
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 236 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Compagnie internationale pour la vente à distance (CIVAD) SA (im Folgenden: CIVAD) gegen den Receveur des douanes de Roubaix (Zollkasse Roubaix), den Directeur régional des douanes et droits indirects de Lille (Regionaldirektor des Zollwesens und der indirekten Abgaben Lille) sowie die Administration des douanes (Zollverwaltung) betreffend einen Antrag auf Erstattung von Antidumpingzöllen, die dieses Unternehmen für Einfuhren von Baumwollbettwäsche aus Pakistan zu Unrecht entrichtet hatte.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 236 des Zollkodex sieht vor:
„(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, das...