Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Wertabgabe, Privatnutzung eines Unternehmensgebäudes, Bemessungsgrundlage, Orientierung an Vorsteuerberichtigungszeitraum zulässig
Leitsatz (amtlich)
Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er der Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes, der sich nach dem gemäß Artikel 20 dieser Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt, nicht entgegensteht.
Diese Besteuerungsgrundlage muss die Kosten des Erwerbs des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, enthalten, sofern dieser Erwerb der Mehrwertsteuer unterworfen war und der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug erhalten hat.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 20
Beteiligte
Hausgemeinschaft Jörg und Stefanie Wollny |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c ‐ Nutzung einer dem Unternehmen zugeordneten Immobilie für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen ‐ Gleichstellung dieser Nutzung mit einer Dienstleistung gegen Entgelt ‐ Bestimmung der Besteuerungsgrundlage ‐ Begriff des Betrages der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung dieser Dienstleistung“
In der Rechtssache C-72/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Februar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2005, in dem Verfahren
Hausgemeinschaft Jörg und Stefanie Wollny
gegen
Finanzamt Landshut
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Hausgemeinschaft Jörg und Stefanie Wollny, vertreten durch J. Wollny und H. Wollny,
‐ des Finanzamts Landshut, vertreten durch Regierungsdirektor D. Baumann,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch U. Forsthoff als Bevollmächtigten,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Hill, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juni 2006
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits über die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, für seinen privaten Bedarf.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
4
Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie stellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat“, einer Dienstleistung gegen Entgelt gleich.
5
Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie ist die Bemessungsgrundlage „bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“.
6
Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die geschuldete od...