Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuer auf Heizöl, keine generelle Besteuerung von Heizöl, das von Privatpersonen für Eigenbedarf erworben wurde, atypische Beförderung von Heizöl
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung erlaubt es nicht, Heizöl generell im Verbrauchsmitgliedstaat der Verbrauchsteuer zu unterwerfen, das in einem anderen Mitgliedstaat von einer Privatperson für ihren Eigenbedarf erworben und von ihr selbst, gleich auf welche Weise, in den Verbrauchsmitgliedstaat befördert worden ist.
2. Die Beförderung von 3 000 l Heizöl durch eine Privatperson mittels dreier sogenannter IBC-Behälter im Laderaum eines Lieferwagens ist eine „atypische Beförderungsart“ im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 92/12 in der durch die Richtlinie 92/108 geänderten Fassung.
3. Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 92/12 in der durch die Richtlinie 92/108 geänderten Fassung steht der Regelung eines Bestimmungsmitgliedstaats, in dem, wie es Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie gestattet, ein Verbrauchsteueranspruch besteht, nicht entgegen, nach der jede Privatperson, die selbst und für ihren Eigenbedarf Heizöl in einem anderen Mitgliedstaat, in dem es in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist, erworben hat und es selbst im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie in den Bestimmungsmitgliedstaat „auf atypische Weise befördert“, verpflichtet ist, im Voraus eine Sicherheit für die Zahlung der Verbrauchsteuern zu leisten sowie ein Begleitdokument und einen Nachweis über die geleistete Sicherheit mitzuführen.
Normenkette
EWGRL 12/92 Art. 9 Abs. 3, Art. 7 Abs. 4
Beteiligte
Verfahrensgang
Hovrätten för Övre Norrland (Schweden) (Urteil vom 22.08.2005; Abl.EU 2005, Nr. C 271/17) |
Tatbestand
„Verbrauchsteuern ‐ Mineralöle ‐ Atypische Beförderungsart“
In der Rechtssache C-330/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hovrätt för Övre Norrland (Schweden) mit Entscheidung vom 22. August 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 6. September 2005, in dem Strafverfahren
Fredrik Granberg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), R. Schintgen, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Granberg, vertreten durch L. Lindström, advokat,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Norman und A. Kruse als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, N. Dafniou, Z. Chatzipavlou und S. Trekli als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch J. Pietras als Bevollmächtigten,
‐ des Rates der Europäischen Union, vertreten durch E. Karlsson und M.-M. Josephides als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Mölls und L. Ström van Lier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Februar 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 4 und Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 390, S. 124) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie) sowie die Gültigkeit der zweitgenannten Vorschrift.
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Strafverfahren gegen Herrn Granberg wegen unerlaubter Einfuhr von Heizöl, also einem Mineralöl im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie, nach Schweden.
I ‐ Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
In den Erwägungsgründen 5 bis 7, 12 und 13 der Richtlinie heißt es:
„Jede Warenlieferung, jeder Besitz von zur Lieferung bestimmten Waren oder jede Bereitstellung von Waren für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, lässt den Verbrauchsteueranspruch in diesem anderen Mitgliedstaat entstehen.
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, sind die Steuern im Mitgliedstaat des Erwerbs zu erheben.
Die Mitgliedstaaten müssen eine Reihe von Kriterien berücksichtigen, damit festgestellt werden kann, ob der Besitz verbrauchst...