Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelbesteuerung, Anrechnungsmethode, Verlustabzug, Ausländische Betriebsstätte, Nachversteuerung eines Verlustabzugs bei Veräußerung ausländischer Betriebsstätte
Leitsatz (amtlich)
Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV und Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 in Verbindung mit dessen Art. 34 stehen einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach dann, wenn eine gebietsansässige Gesellschaft eine in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Staat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegene Betriebsstätte an eine verbundene gebietsfremde Gesellschaft veräußert, die zuvor für die veräußerte Betriebsstätte abgezogenen Verluste bei der veräußernden Gesellschaft nachbesteuert werden, sofern der erstgenannte Mitgliedstaat sowohl die von der Betriebsstätte vor ihrer Veräußerung realisierten Gewinne als auch die Gewinne besteuert, die aus dem bei der Veräußerung erzielten Wertzuwachs resultieren.
Normenkette
AEUV Art. 49, 54; EWR-Abkommen Art. 31
Beteiligte
Verfahrensgang
Ostre Landsret (Dänemark) (Urteil vom 22.01.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 101/11) |
Tatbestand
„Steuerrecht ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Nationale Ertragsteuer ‐ Konzernbesteuerung ‐ Besteuerung der Tätigkeit ausländischer Betriebsstätten inländischer Gesellschaften ‐ Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung (Anrechnungsmethode) ‐ Nachbesteuerung zuvor abgezogener Verluste bei Veräußerung der Betriebsstätte an eine verbundene Gesellschaft, für die der betreffende Mitgliedstaat seine Besteuerungsbefugnis nicht ausübt“
In der Rechtssache C-48/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Regionalgericht Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 22. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2013, in dem Verfahren
Nordea Bank Danmark A/S
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, E. Juhász und A. Borg Barthet sowie der Richter A. Rosas, J. Malenovský, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), C. Vajda, S. Rodin und F. Biltgen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Nordea Bank Danmark A/S, vertreten durch H. Hansen, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte im Beistand von K. Lundgaard Hansen, advokat,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und C. Barslev als Bevollmächtigte,
‐ der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis, G. Mathisen und A. Steinarsdóttir als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. März 2014
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV und 54 AEUV sowie der Art. 31 und 34 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) über die Niederlassungsfreiheit.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der Nordea Bank Danmark A/S (im Folgenden: Nordea Bank), einer Gesellschaft dänischen Rechts, angestrengten Verfahrens gegen Entscheidungen des Skatteministeriet über die Nachbesteuerung von Verlusten, die für verschiedene ihrer ausländischen Betriebsstätten zuvor abgezogen worden waren.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Rz. 3
Art. 7 Abs. 1 des am 23. September 1996 in Helsinki geschlossenen Abkommens der nordischen Länder zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SopS 26/1997, im Folgenden: Nordisches Abkommen) sieht vor:
„Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“
Rz. 4
Nach Art. 25 dieses Abkommens haben sich die Vertragsstaaten dafür entschieden, die Doppelbesteuerung von Betriebsstätten durch das sogenannte „Anrechnungsverfahren“ auszugleichen. Hierzu gewährt der Staat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, eine Entlastung, deren Höhe der im Quellenstaat gezahlten Einkommensteuer entspricht.
Dänisches Recht
Rz. 5
Nach den dänischen Rechtsvorschriften, die für den Ausgangsrechtsstreit maßg...