Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberatungswesen, Ausländische Steuerberatungsgesellschaft, Zulassung einer ausländischen Steuerberatungsgesellschaft bei der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, Dienstleistungsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es nicht zulässt, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, in der die Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen festgelegt sind, die Dienstleistungsfreiheit einer Steuerberatungsgesellschaft beschränkt, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist, gegründet wurde und in diesem Mitgliedstaat, in dem die steuerberatende Tätigkeit nicht reglementiert ist, eine Steuererklärung für einen Leistungsempfänger im erstgenannten Mitgliedstaat erstellt und an die Finanzverwaltung dieses Mitgliedstaats übermittelt, ohne dass die Qualifikation, die diese Gesellschaft oder die natürlichen Personen, die für sie die Dienstleistung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erbringen, in anderen Mitgliedstaaten erworben haben, ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt wird.
Normenkette
AEUV Art. 56
Beteiligte
X-Steuerberatungsgesellschaft |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Anerkennung von Berufsqualifikationen ‐ Richtlinie 2005/36/EG ‐ Art. 5 ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Richtlinie 2006/123/EG ‐ Art. 16 und 17 Nr. 6 ‐ Art. 56 AEUV ‐ Steuerberatungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist und in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen erbringt ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, nach der Steuerberatungsgesellschaften einer Eintragung und Anerkennung bedürfen“
In der Rechtssache C-342/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Juli 2014, in dem Verfahren
X-Steuerberatungsgesellschaft
gegen
Finanzamt Hannover-Nord
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der X-Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch H.-P. Taplick, Belastingadviseur, und Rechtsanwalt K. Hübner,
‐ des Finanzamts Hannover-Nord, vertreten durch S. Rechlin und B. Beckmann als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman, M. de Ree und B. Koopman als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, H. Støvlbæk und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Oktober 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 623/2012 der Kommission vom 11. Juli 2012 (ABl. L 180, S. 9) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2005/36), von Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36) und von Art. 56 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der X-Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: X) und dem Finanzamt Hannover-Nord (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, X als Bevollmächtigte einer Gesellschaft in einem Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren anzuerkennen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2005/36
Rz. 3
Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2005/36 sieht vor:
„Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden ‚Aufnahmemitgliedstaat‘ genannt), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten … erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.“
Rz. 4
Art. 2 („Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Diese Richtlinie gilt für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte, einschließlich der Angehörigen der freien Berufe, einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqu...