Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialbeitrag auf Einkünfte aus Vermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Immobilienveräußerung, Beiträge zur sozialen Sicherheit, Abgabe auf Einkünfte aus Kapital

 

Leitsatz (amtlich)

Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, nach denen ein Angehöriger dieses Mitgliedstaats, der in einem Drittstaat wohnt, bei dem es sich weder um einen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) noch um die Schweizerische Eidgenossenschaft handelt, und der dort in einem System der sozialen Sicherheit versichert ist, in dem betreffenden Mitgliedstaat Abgaben auf Einkünfte aus Kapital im Rahmen eines von diesem eingeführten Beitrags zum System der sozialen Sicherheit unterliegt, während ein Unionsbürger, der in einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats versichert ist, wegen des Grundsatzes der Anwendbarkeit nur eines Rechts im Bereich der sozialen Sicherheit gemäß Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit davon befreit ist.

 

Normenkette

AEUV Art. 63, 65

 

Beteiligte

Jahin

Frédéric Jahin

Ministre des Affaires sociales et de la Santé

Ministre de l Économie et des Finances

 

Verfahrensgang

Conseil d Etat (Frankreich) (Beschluss vom 25.01.2017; Abl.EU 2017, Nr. C 121/15)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 63 und 65 AEUV ‐ Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ‐ Art. 11 ‐ Abgaben auf Einkünfte aus Kapital als Beitrag zur Finanzierung der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats ‐ Befreiung von Unionsbürgern, die in einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats versichert sind ‐ Natürliche Personen, die in einem System der sozialen Sicherheit eines Drittstaats versichert sind ‐ Unterschiedliche Behandlung ‐ Beschränkung ‐ Rechtfertigung“

In der Rechtssache C-45/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 25. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Januar 2017, in dem Verfahren

Frédéric Jahin

gegen

Ministre de l’Économie et des Finances,

Ministre des Affaires sociales et de la Santé

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Jahin, vertreten durch E. d’Onorio di Meo, avocat,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 bis 65 AEUV sowie von Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Frédéric Jahin und dem Ministre de l’Économie et des Finances (Minister für Wirtschaft und Finanzen, Frankreich) sowie dem Ministre des Affaires sociales et de la Santé (Minister für Soziales und Gesundheit, Frankreich) wegen der Entrichtung mehrerer Beiträge und steuerlicher Abgaben für die Jahre 2012 bis 2014 auf in Frankreich erzielte Einkünfte aus Vermögen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Durch die Verordnung Nr. 883/2004 wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2010 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) aufgehoben. Die für die vorliegende Rechtssache relevanten Vorschriften der Verordnung Nr. 883/2004 haben jedoch im Verhältnis zu den entsprechenden Vorschriften in der aufgehobenen Verordnung keine grundlegende Änderung erfahren.

Rz. 4

Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht in Abs. 1 vor:

„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.“

Rz. 5

Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, di...

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