Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verbot einer Regelung, wonach eine Tochtergesellschaft einen an ihre Muttergesellschaft gezahlten Konzernbeitrag nur dann von ihren steuerpflichtigen Einkünften abziehen kann, wenn die Muttergesellschaft ihren Sitz im gleichen Mitgliedstaat hat
Leitsatz (amtlich)
Art. 43 EG steht einer Regelung im Recht eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen, wonach eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft einen an ihre Muttergesellschaft gezahlten Konzernbeitrag nur dann von ihren steuerpflichtigen Einkünften abziehen kann, wenn die Muttergesellschaft ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat hat.
Normenkette
EGVtr Art. 43
Beteiligte
Verfahrensgang
KHO (Finnland) (Urteil vom 23.05.2005; Abl.EU 2005, Nr. C 193/17) |
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Körperschaftsteuerrecht ‐ Abzugsfähigkeit von Beträgen, die eine Gesellschaft als Konzernbeitrag gezahlt hat ‐ Verpflichtung, dass die Gesellschaft, die den Beitrag erhält, ihren Sitz gleichfalls in dem betreffenden Mitgliedstaat hat“
In der Rechtssache C-231/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 23. Mai 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2005, in dem Verfahren
Oy AA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, R. Schintgen, P. Kũris und E. Juhász sowie der Richter K. Schiemann, G. Arestis, U. Lõhmus, E. Levits (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Oy AA, vertreten durch T. Torkkel und J. Järvinen, asiamiehet,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä und E. Bygglin als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Grave als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand und A. Falk als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Nwaokolo und E. O’Neill als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und I. Koskinen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. September 2006
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG, 56 EG und 58 EG sowie der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 255, S. 6) in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 (ABl. 2004, L 7, S. 41) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 90/435).
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Verfahren vor dem Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht), das die Oy AA, eine Gesellschaft finnischen Rechts, wegen des von ihr geltend gemachten Rechts angestrengt hat, von ihren steuerpflichtigen Einkünften einen finanziellen Beitrag abzuziehen, den sie an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft gezahlt hat. In diesem Verfahren wird die Vereinbarkeit der finnischen Rechtsvorschriften über Konzernbeiträge mit dem Gemeinschaftsrecht in Frage gestellt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Wie aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/123 hervorgeht, zielt die Richtlinie 90/435 darauf ab, „Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen“.
4
Nach Art. 4 der Richtlinie 90/435 besteuert, wenn einer Muttergesellschaft oder ihrer Betriebstätte aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft Gewinne zufließen, die nicht anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, der Staat der Muttergesellschaft die von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne entweder nicht oder lässt im Fall einer Besteuerung zu, dass die Muttergesellschaft auf die geschuldete Steuer den von der Tochtergesellschaft für diesen Gewinn entrichteten Steuerteilbetrag anrechnen kann.
5
Nach Art. 5 der Richtlinie 90/435 sind „[d]ie von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne … vom Steuerabzug an der Quelle befreit“, und nach Art. 6 dieser Richtlinie kann „[d]er Mitgliedstaat der Muttergesellschaft … einen Steuerabzug an der Quelle auf Gewinne vornehmen, die diese Gesellschaft von ihrer Tochtergesellschaft bezieht“.
Nationales Recht
6
§ 1 des Laki konserniavutuksesta verotuksessa (Gesetz über Konzernbeiträge im Rahmen der Besteuerung) (825/1986) vom 21. November 1986 (i...