Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer, Steuerbefreiung, Bemessungsgrundlage, Glücksspiele, Bingo, Verkaufspreis eines Bingocoupons, Vorsteuerabzug, Pro-Rata-Satz
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer beim Verkauf von Bingocoupons wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht den im Vorhinein gesetzlich festgelegten Teil des Verkaufspreises umfasst, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist.
2. Die Art. 17 Abs. 5 und 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 98/80 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten nicht vorsehen können, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises der Bingocoupons, der an die Spieler als Gewinne auszuzahlen ist, für die Zwecke der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zum Umsatz gehört, der im Nenner des in Art. 19 Abs. 1 genannten Bruchs zu stehen hat.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 5, Art. 19 Abs. 1
Beteiligte
International Bingo Technology |
International Bingo Technology SA |
Tribunal Económico-Administrativo Regional de Cataluña (TEARC) |
Verfahrensgang
Tribunal de Cataluña (Spanien) (Urteil vom 18.05.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 290/3) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 5 und Art. 19 Abs. 1 ‐ Veranstaltung von Bingospielen ‐ Gesetzliche Verpflichtung, einen Teil des Verkaufspreises der Spielscheine in Form von Gewinnen an die Spieler auszuzahlen ‐ Berechnung der Besteuerungsgrundlage“
In der Rechtssache C-377/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Spanien) mit Entscheidung vom 18. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juli 2011, in dem Verfahren
International Bingo Technology SA
gegen
Tribunal Económico-Administrativo Regional de Cataluña (TEARC)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter M. Safjan, A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 5 und Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 geänderten Fassung (ABl. L 281, S. 31, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der International Bingo Technology SA (im Folgenden: International Bingo) und dem Tribunal Económico-Administrativo Regional de Cataluña (TEARC) über die Berechnung des Pro-rata-Satzes für den Abzug der von dieser Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1999 geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 11 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„A. Im Inland
(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen;
…“
Rz. 4
In der sich aus Art. 28f der Sechsten Richtlinie ergebenden Fassung lautet Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 5 wie folgt:
„(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…
(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden,...