Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Anwendungsbereich. Steuerbare Umsätze. Von einer Gesellschaft des Privatrechts durchgeführte Tätigkeiten. Betrieb von Parkplätzen auf privaten Grundstücken. Von dieser Gesellschaft in dem Fall, dass Kraftfahrer die allgemeinen Nutzungsbedingungen für diese Parkplätze nicht beachten, erhobene Kontrollgebühr. Einstufung. Wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Umsätze
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
Beteiligte
Apcoa Parking Danmark A/S |
Verfahrensgang
Højesteret (Dänemark) (Beschluss vom 07.02.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 161/37) |
Tenor
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Kontrollgebühren, die eine mit dem Betrieb privater Parkplätze betraute Gesellschaft des Privatrechts in dem Fall erhebt, dass Kraftfahrer die allgemeinen Nutzungsbedingungen für diese Parkplätze nicht beachten, als Gegenleistung für eine Dienstleistung anzusehen sind, die im Sinne dieser Bestimmung gegen Entgelt erbracht wird und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Oberstes Gericht, Dänemark) mit Entscheidung vom 7. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Februar 2020, in dem Verfahren
Apcoa Parking Danmark A/S
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Apcoa Parking Danmark A/S, vertreten durch J. Steen Hansen, advokat,
- der dänischen Regierung, zunächst vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. S. Wolff und V. P. Jørgensen, dann durch M. S. Wolff und V. P. Jørgensen als Bevollmächtigte im Beistand von B. Søes Petersen, advokat,
- von Irland, vertreten durch J. Quaney und A. Joyce als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und U. Nielsen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juni 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Apcoa Parking Danmark A/S (im Folgenden: Apcoa) und dem Skatteministeriet (Finanzministerium, Dänemark) über die Frage, ob die Kontrollgebühren, die diese Gesellschaft in dem Fall erhebt, dass Kraftfahrer die allgemeinen Nutzungsbedingungen der von ihr verwalteten Parkplätze auf privaten Grundstücken nicht beachten, der Mehrwertsteuer unterliegen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”, der Mehrwertsteuer unterliegen.
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Dänisches Recht
Nationales Recht
Rz. 5
§ 4 Abs. 1 des Lov nr. 375 om merværdiafgift (Momsloven) (Mehrwertsteuergesetz) vom 18. Mai 1994 (Lovtidende 1994 A, S. 1727) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt:
„Im Inland gegen Entgelt gelieferte Gegenstände und erbrachte Dienstleistungen unterliegen der Mehrwertsteuer. Als ‚Lieferung von Gegenständen’ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Eine Dienstleistung umfasst jede andere Leistung.”
Rz. 6
§ 13 Abs. 1 Nr. 8 dieses Gesetzes bestimmt:
„Folgende Gegenstände und Dienstleistungen sind von der [Mehrwertsteuer] befreit:
…
8. die Verwaltung, die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken sowie die Lieferung von Gas, Wasser, Strom und Heizung im Zusammenhang mit einer solchen Vermietung oder Verpachtung. Die Befreiung gilt jedoch nicht für … die Vermietung von Camping-, Park- oder Werbeflächen und die Vermietung von Schließfächern.”
Rz. 7
§ 27 Abs....