Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Leistungen betreffend die Eintrittsberechtigung für Unterhaltungsveranstaltungen. Ort der Dienstleistung. Übertragung interaktiver Videositzungen per Streaming. Bereitstellung von Räumlichkeiten und des notwendigen Materials für das Filmen von Darbietungen sowie Durchführung von Beratung zur Erbringung qualitativ hochwertiger Darbietungen
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 53
Beteiligte
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca |
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj |
Verfahrensgang
Curtea de Apel Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 03.06.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 451/10) |
Tenor
Art. 53 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
er keine Anwendung auf Dienstleistungen findet, die von einem Studio zur Aufzeichnung von Videochats an den Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet erbracht werden und die darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, die von einem solchen Studio gefilmt werden, um sie diesem Betreiber zur Verbreitung durch diesen auf der genannten Plattform zur Verfügung zu stellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 3. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 9. August 2022, in dem Verfahren
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca,
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj
gegen
SC Westside Unicat SRL
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer E. Regan (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter I. Jarukaitis und D. Gratsias,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SC Westside Unicat SRL, vertreten durch L. M. Roman, Avocată,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und O.-C. Ichim als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und T. Isacu de Groot als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 53 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung (ABl. 2008, L 44, S. 11) (im Folgenden: Richtlinie 2006/112).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Westside Unicat SRL (im Folgenden: Westside Unicat) und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) sowie der Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Cluj, Rumänien) (im Folgenden zusammen: Steuerbehörde) über die Entscheidung dieser Behörde, die von dieser Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen in Rumänien als mehrwertsteuerpflichtig zu erachten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2006/112
Rz. 3
Die Richtlinie 2006/112 enthält in Titel V („Ort des steuerbaren Umsatzes”) ein Kapitel 3 („Ort der Dienstleistung”). Dieses Kapitel 3 enthält einen Abschnitt 2 („Allgemeine Bestimmungen”), der die Art. 44 und 45 umfasst.
Rz. 4
Art. 44 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.”
Rz. 5
Art. 45 der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Nichtsteuerpflichtigen gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch von der festen Niederlassung des Dienstleistungserbringers, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, aus erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Nieder...