Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Überlassung eines Seegebiets
Leitsatz (amtlich)
Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass ein Rechtsverhältnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dessen Rahmen einer Person das Recht eingeräumt wird, eine öffentliche Sache, nämlich Bereiche des Seegebiets, in Besitz zu nehmen und für eine bestimmte Zeit gegen eine Vergütung ‐ auch ausschließlich ‐ zu nutzen, unter den Begriff der „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne dieses Artikels fällt.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. b
Beteiligte
Ministero delle Finanze – Ufficio IVA di Milano |
Tatbestand
„Sechste Richtlinie ‐ Mehrwertsteuer ‐ Steuerbefreite Umsätze ‐ Vermietung von Grundstücken ‐ Im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Sache“
In der Rechtssache C-174/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 13. Januar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2006, in dem Verfahren
Ministero delle Finanze ‐ Ufficio IVA di Milano
gegen
CO.GE.P. srl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Italienischen Republik, vertreten durch S. Fiorentino als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Ministero delle Finanze ‐ Ufficio IVA di Milano (im Folgenden: Ufficio) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung CO.GE.P., die auf dem Gebiet der Herstellung und Mischung von Ölderivaten tätig ist (im Folgenden: CO.GE.P.), darüber, ob vom Consorzio Autonomo del Porto di Genova (Autonomes Konsortium des Hafens Genua, im Folgenden: Konsortium) an die CO.GE.P. gerichtete Rechnungen in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß sind, die die Konzession zur Nutzung von Bereichen für die Lagerung, die Herstellung und den Umschlag von Mineralöl betreffen, die zum im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Seegebiet gehören.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach ihrem elften Erwägungsgrund soll mit der Sechsten Richtlinie u. a. im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der eigenen Mittel eine gemeinsame Liste der Befreiungen von der Mehrwertsteuer aufgestellt werden.
4
Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
5
Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
…
(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofer...