Entscheidungsstichwort (Thema)
Kleinunternehmerregelung, Beschränkung auf im Inland ansässige Unternehmer, Bestimmung der Jahresumsatzgrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prüfung der Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 24 Abs. 3 und 28i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/18/EG des Rates vom 14. Februar 2006 geänderten Fassung sowie des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf Art. 49 EG berühren könnte.
2. Die Art. 24 und 24a der Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/18 geänderten Fassung sowie die Art. 284 bis 287 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass der Begriff „Jahresumsatz“ den Jahresumsatz meint, den ein Unternehmen in einem Jahr in dem Mitgliedstaat erzielt, in dem es ansässig ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 24 Abs. 3, Art. 28i, 24a; EGRL 112/2006 Art. 284-287; EGRL 112/2006
Beteiligte
Verfahrensgang
UFS (Österreich) (Beschluss vom 04.03.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 129/5) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 24 Abs. 3 und 28i ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 283 Abs. 1 Buchst. c ‐ Gültigkeit ‐ Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG ‐ Grundsatz der Gleichbehandlung ‐ Sonderregelung für Kleinunternehmen ‐ Mehrwertsteuerbefreiung ‐ Versagung der Steuerbefreiung gegenüber Steuerpflichtigen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind ‐ Begriff des Jahresumsatzes“
In der Rechtssache C-97/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien (Österreich), mit Entscheidung vom 4. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 10. März 2009, in dem Verfahren
Ingrid Schmelz
gegen
Finanzamt Waldviertel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richter E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič, der Richterin P. Lindh, des Richters T. von Danwitz sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch C. Blaschke und J. Möller als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou, K. Georgiadis und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte,
‐ des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A.-M. Colaert und J.-P. Hix als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Juni 2010
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Art. 24 Abs. 3 und 28i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/18/EG des Rates vom 14. Februar 2006 (ABl. L 51, S. 12) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) im Hinblick auf die Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG sowie den Grundsatz der Gleichbehandlung. Das Ersuchen betrifft zudem die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie und Art. 287 der Mehrwertsteuerrichtlinie.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Schmelz, einer in Deutschland ansässigen deutschen Staatsangehörigen, und dem Finanzamt Waldviertel (im Folgenden: Finanzamt) wegen Steuerbescheiden des Finanzamts über die Umsatzsteuer, die Frau Schmelz nach dessen Ansicht auf ihre Einkünfte aus der Vermietung einer in Österreich belegenen Wohnung für die Jahre 2006 und 2007 schuldet.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Sechste Richtlinie
Rz. 3
Nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Steuer.
Rz. 4
Der zu Abschnitt XIV („Sonderregelungen“) der Sechsten Richtlinie gehörende Art. 24 Abs. 2 Buchst. a und b („Sonderregelung für Kleinunternehmen“) ermöglicht es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen, den Steuerpflichtigen, deren Jahresumsatz maximal dem in nationalen Währungen ausgedrückten Gegenwert von 5 000 Europäischen Rechnungseinh...