Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 378 Abs. 1

 

Beteiligte

GIS

BM

Gebühren Info Service GmbH (GIS)

 

Verfahrensgang

VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 16.03.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 237/41)

 

Tenor

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 378 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit Art. 151 Abs. 1 und Anhang XV Teil IX Nr. 2 Buchst. h Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge

sind wie folgt auszulegen:

Sie stehen nicht dem entgegen, dass die Republik Österreich eine Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks der Mehrwertsteuer unterwirft, die durch eine gesetzliche Zwangsgebühr finanziert wird, die von jeder Person gezahlt wird, die eine Rundfunkempfangseinrichtung in einem Gebäude betreibt, das sich an einem Standort befindet, der von der betreffenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit ihren Programmen terrestrisch versorgt wird. Insoweit kann dahinstehen, ob die betreffende Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks unter den Begriff der Dienstleistungen, die gegen Entgelt erbracht werden, im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 16. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 11. April 2022, in dem Verfahren

BM

gegen

Gebühren Info Service GmbH (GIS),

Beteiligte:

Bundesministerium für Finanzen,

Österreichischer Rundfunk,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter F. Biltgen, M. Ilešič, I. Jarukaitis und D. Gratsias (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von BM, vertreten durch Rechtsanwältin F. List und Rechtsanwalt W. List,
  • der Gebühren Info Service GmbH (GIS), vertreten durch Rechtsanwalt S. Lenzhofer,
  • des Österreichischen Rundfunks, vertreten durch Rechtsanwälte T. Wenger und H. Wollmann,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, F. Koppensteiner und B. Kuder als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. F. Kronborg und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 378 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit Art. 151 Abs. 1 und Anhang XV Teil IX Nr. 2 Buchst. h Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1, im Folgenden: Beitrittsakte).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BM und der Gebühren Info Service GmbH (GIS) wegen des Antrags von BM auf Rückerstattung der auf das Programmentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Oktober 2018 entrichteten Umsatzsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Beitrittsakte

Rz. 3

Art. 151 Abs. 1 der Beitrittsakte bestimmt:

„Die in Anhang XV aufgeführten Rechtsakte gelten für die neuen Mitgliedstaaten unter den in jenem Anhang festgelegten Bedingungen.”

Rz. 4

Anhang XV der Beitrittsakte enthält einen Teil IX („Steuern”), dessen Nr. 2 bestimmt:

„377 L 0388: Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. [1977, L 145], S. 1), zuletzt geändert durch:

- 394 L 0005: Richtlinie 94/5/EG vom 14. Februar 1994 (ABl. [1994, L 60], S. 16).

Österreich

h) Bei der Anwendung von Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a kann die Republik Österreich Folgendes besteuern:

  • die in Anhang E Nummer 7 aufgeführten Umsätze.

…”

Mehrwertsteuerrichtlinie

Rz. 5

Die Richtlinie 77/388 (im Folgenden: Sechste Richtlinie) wurde durch Art. 411 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben. Nach Art. 411 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten Verweisungen auf die Sechste Richtlinie als Verweisungen auf die Mehrwertsteuerrichtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang XII der Mehrwertsteuerrichtl...

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