Entscheidungsstichwort (Thema)
Holding-Gesellschaft, Unternehmereigenschaft, Vorsteuerabzug, Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs
Leitsatz (amtlich)
1. Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Unternehmen, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, wenn sie Tätigkeiten darstellen, die gemäß Artikel 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holding an ihre Tochtergesellschaften.
2. Die Kosten, die einer Holding für die bei Erwerb einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft erworbenen Dienstleistungen entstanden sind, gehören zu ihren allgemeinen Kosten und hängen deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammen. Wenn die Holding deshalb sowohl Umsätze tätigt, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ergibt sich aus Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388, dass sie den Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer vornehmen kann, der dem Betrag der erstgenannten Umsätze entspricht.
3. Der Bezug von Dividenden fällt nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 2, Art. 17 Abs. 5 UAbs. 1
Beteiligte
Societe Cibo Participations |
Directeur régional des impôts du Nord-Pas-de-Calais |
Tatbestand
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Wirtschaftliche Tätigkeit - Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften - Vorsteuerabzug für Leistungen, die eine Holding bei Erwerb einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft erworben hat - Bezug von Dividenden durch die Holding
In der Rechtssache C-16/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal administratif Lille (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Cibo Participations SA
gegen
Directeur régional des impôts du Nord-Pas-de-Calais
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 4 Absätze 1 und 2, Artikel 13 Teil B Buchstabe d und Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter P. Jann und L. Sevón (Berichterstatter),
Generalanwältin: C. Stix-Hackl
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Cibo Participations SA, vertreten durch Rechtsanwalt M. Pourbaix,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und S. Seam als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa, C. Giolito und H. Michard als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Cibo Participations SA, der französischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 14. Dezember 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. März 2001,
folgendes
Urteil
1. Das Tribunal administratif Lille hat mit Urteil vom 6. Januar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Januar 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 4 Absätze 1 und 2, Artikel 13 Teil B Buchstabe dund Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Cibo Participations SA (Klägerin) und dem Directeur régional des impôts du Nord-Pas-de-Calais über die Frage, ob, und gegebenenfalls in welchem Maß, eine Holding zum Vorsteuerabzug für Dienstleistungen berechtigt ist, die sie bei Erwerb von Unternehmensbeteiligungen an einer Tochtergesellschaft erworben hat.
Gemeinschaftsrecht
3. Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Artikel 4 Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausübt. Der Begriff wirtschaftliche Tätigkeiten erfasst nach Artikel 4 Absatz 2 alle Tätigkeiten eines ...