Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Steuersatz, Säuglingsbekleidung, Bekleidungszubehör für Säuglinge und Kinderschuhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 98 in Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, dass sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % auf die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Säuglingskleidung, Bekleidungszubehör für Säuglinge und Kinderschuhen angewandt hat.

2. Die Republik Polen trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 98; EGRL 112/2006 Anhang III

 

Beteiligte

Kommission / Polen

Europäische Kommission

Republik Polen

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Späterer Beitritt von Mitgliedstaaten ‐ Übergangsbestimmungen ‐ Zeitliche Geltung ‐ Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes ‐ Säuglingsbekleidung, Bekleidungszubehör für Säuglinge und Kinderschuhe“

In der Rechtssache C-49/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 2. Februar 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und K. Herrmann als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Polen, vertreten durch M. Szpunar, M. Dowgielewicz, M. Jarosz und A. Rutkowska als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Juni 2010

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 98 in Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) verstoßen hat, dass sie einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % auf die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Säuglingskleidung, Bekleidungszubehör für Säuglinge und Kinderschuhen angewandt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Durch die Richtlinie 2006/112 ist die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) mit Wirkung zum 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt worden.

Rz. 3

Art. 96 der Richtlinie 2006/112, der Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie entspricht, lautet:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“

Rz. 4

Art. 97 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2010 muss der Normalsatz mindestens 15 % betragen.“

Rz. 5

In Art. 98 Abs. 1 und 2 der Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

…“

Rz. 6

Gemäß Art. 99 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 werden die ermäßigten Steuersätze als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festgesetzt, der mindestens 5 % betragen muss.

Rz. 7

Die Art. 109 ff. der Richtlinie 2006/112 regeln die Bedingungen, unter denen bestimmte Mitgliedstaaten bis zur Einführung einer endgültigen Mehrwertsteuerregelung verschiedene Maßnahmen im Bereich der ermäßigten Steuersätze anwenden können. Diese Maßnahmen betreffen die Anwendung ermäßigter Steuersätze von weniger als 5 %, die Beibehaltung ermäßigter Steuersätze auf andere als die in Anhang III der Richtlinie 2006/112 aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen oder auch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes von mindestens 12 %.

Rz. 8

Art. 114 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:

„Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1993 verpflichtet waren, den von ihnen am 1. Januar 1991 angewandten Normalsatz um mehr als 2 % heraufzusetzen, können auf die Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien einen ermäßigten Satz anwenden, der unter dem in Artikel 99 festgelegten Mindestsatz liegt.

Ferner können die in Unterabsatz 1 genannten Mitgliedstaaten einen solchen Satz auf Dienstleistungen im Gaststättengewerbe, auf Kinderbekleidung und Kinderschuhe sowie auf Wohnungen anwenden.“

Rz. 9

Art. 115 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1991 au...

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