Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Art. 3 und 4. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen. Rückforderung rechtswidrig erlangter Vorteile. Nach nationalem Recht geschuldete Ausgleichs- und Verzugszinsen. Anwendung der Verjährungsbestimmungen der Verordnung Nr. 2988/95 auf die Erhebung solcher Verzugszinsen. Verjährungsbeginn. Begriff des Ruhens. Begriff der Unterbrechung
Beteiligte
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung |
Tenor
Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Verjährungsfrist für die im Anspruch auf Erstattung eines rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangten Vorteils bestehende Hauptforderung nicht für die Erstattung der infolge dieser Forderung angefallenen Zinsen gilt, wenn diese nicht nach Unionsrecht geschuldet sind, sondern allein nach nationalem Recht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2010, in dem Verfahren
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
gegen
Pfeifer & Langen KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, vertreten durch W. Wolski, B. Messerschmidt und J. Jakubiec als Bevollmächtigte,
- der Pfeifer & Langen KG, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Ehle und C. Hagemann,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und P. Rossi als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. Januar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pfeifer & Langen KG (im Folgenden: Pfeifer & Langen) und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (im Folgenden: Bundesanstalt) über die Erhebung von Zinsen auf rechtswidrig zulasten der finanziellen Interessen der Europäischen Union erhaltene Lagerkostenvergütungen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 2988/95
Rz. 3
Nach dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95 ist es „wichtig, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu bekämpfen”.
Rz. 4
Dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung zufolge sind die „Verhaltensweisen, die Unregelmäßigkeiten darstellen, sowie die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und die entsprechenden Sanktionen … im Einklang mit dieser Verordnung in sektorbezogenen Regelungen vorgesehen”.
Rz. 5
Art. 1 der Verordnung bestimmt:
„(1) Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.
(2) Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.”
Rz. 6
Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 sieht vor:
„(1) Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.
Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms.
Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.
…
(2) Die Frist für die Vollstreckung der Ents...