Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Einschränkung des Optionsrechts, Bestandskraft des Vorsteuerabzugs, Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung, Steuerbarkeit von Innenumsätzen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Artikel 17 und 20 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, wie sie im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auszulegen sind, verwehren es einem Mitgliedstaat nicht, das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, mit der Folge aufzuheben, dass die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich der als Investitionsgüter erworbenen vermieteten Grundstücke vorgenommen wurden, gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie 77/388 zu berichtigen sind.
Hebt ein Mitgliedstaat das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, auf, so hat er bei der Wahl der Modalitäten der Durchführung der Gesetzesänderung das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen zu beachten. Die Aufhebung des rechtlichen Rahmens, den ein der Mehrwertsteuer unterworfener Steuerpflichtiger - ohne missbräuchliches Vorgehen - so ausgenutzt hat, dass er weniger Steuern gezahlt hat, kann jedoch als solche kein auf Gemeinschaftsrecht gestütztes berechtigtes Vertrauen verletzen.
2. Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 bezieht sich auf die Zuordnung eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens und nicht auf eine Gesetzesänderung, mit der das Recht, für die Besteuerung eines von der Mehrwertsteuer grundsätzlich befreiten wirtschaftlichen Vorgangs zu optieren, aufgehoben wird.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 17, 5 Abs. 7 Buchst. a, Art. 20
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 21.12.2001) |
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 14.12.2001) |
Tatbestand
"Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Artikel 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG - Vorsteuerabzug - Änderung der nationalen Rechtsvorschriften, durch die die Möglichkeit, für die Besteuerung der Vermietung von Grundstücken zu optieren, abgeschafft worden ist - Berichtigung der Abzüge - Anwendbarkeit auf bestehende Mietverträge"
In den verbundenen Rechtssachen C-487/01 und C-7/02
betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Gemeente Leusden (C-487/01),
Holin Groep BV cs (C-7/02)
gegen
Staatssecretaris van Financiën
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a, 17 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L145, S.1) sowie allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer),
unter Mitwirkung des Richters P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und S. von Bahr,
Generalanwalt: A. Tizzano,Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
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der Gemeente Leusden, vertreten durch R. Brouwer und H.P. Bodt, Belastingadviseurs,
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der niederländischen Regierung, vertreten durch H.G. Sevenster als Bevollmächtigte,
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der französischen Regierung, vertreten durch G. deBergues und P. Boussaroque als Bevollmächtigte,
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der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch P. Ormond als Bevollmächtigte im Beistand von P. Whipple, Barrister (C-7/02),
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der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H.M.H. Speyart als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Gemeente Leusden, vertreten durch R. Brouwer und H.P. Bodt, der Holin Groep BV cs, vertreten durch R.M. Vermeulen, advocaat, der niederländischen Regierung, vertreten durch S. Terstal als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch H.M.H. Speyart und R. Lyal als Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 9. Januar 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juni 2003,
folgendes
Urteil
1
Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteilen vom 14. Dezember (C-487/01) und 21. Dezember 2001 (C-7/02), beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2001 und 11. Januar 2002, gemäß Artikel 234 EG in jeder Rechtssache zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 17 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L145, S.1, im Folgenden: Sechste R...