Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Freier Dienstleistungsverkehr. Freier Kapitalverkehr. Niederlassungsfreiheit. Einkommensteuer. Altersvorsorge. Abschluss bei einem Rentenversicherungsträger mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Steuerrecht. Beschränkung der Abzugsfähigkeit oder Nichtberücksichtigung der im Rahmen eines Rentenplans gezahlten Beiträge beim steuerpflichtigen Einkommen. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle. Kohärenz des Steuersystems. Symmetrie des Steuersystems. Abkommen zur Verhinderung der Doppelbesteuerung. Lebensversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge. Besteuerung der Kapitalerträge. Verbot der Beschränkung von Steuervorteilen auf Erträge aus Verträgen mit im Inland ansässigen Versicherungsträgern
Normenkette
EGVtr Art. 39, 43, 49
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Königreich Dänemark, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten |
Tenor
1. Das Königreich Dänemark hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 39 EG, 43 EG und 49 EG verstoßen, dass es eine Lebensversicherungs- und Altersversorgungsregelung eingeführt und in Kraft gelassen hat, nach der das Recht, Beiträge abzuziehen, und das Recht, sie unberücksichtigt zu lassen, nur für Beitragszahlungen im Rahmen von Verträgen gewährt werden, die mit Rentenversicherungsträgern mit Sitz in Dänemark geschlossen wurden, während für Beitragszahlungen im Rahmen von Verträgen, die mit Rentenversicherungsträgern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten geschlossen wurden, keine solche Steuererleichterung gewährt wird.
2. Das Königreich Dänemark trägt die Kosten.
3. Das Königreich Schweden trägt seine eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 23. März 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch S. Tams, dann durch R. Lyal und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Dänemark, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich Schweden, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, P. Kuris (Berichterstatter) und E. Juhász sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, G. Arestis, A. Borg Barthet und A. Ó Caoimh,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Juni 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Dänemark dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 39 EG, 43 EG, 49 EG und 56 EG verstoßen hat, dass es eine Regelung über Lebensversicherungen und Altersversorgung eingeführt und in Kraft gelassen hat, nach der das Recht, Beiträge abzuziehen, und das Recht, Beiträge unberücksichtigt zu lassen, nur für Beitragszahlungen im Rahmen von Verträgen gewährt werden, die mit Rentenversicherungsträgern mit Sitz in Dänemark geschlossen wurden, während für Beitragszahlungen im Rahmen von Verträgen, die mit Rentenversicherungsträgern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten geschlossen wurden, keine solche Steuererleichterung gewährt wird (im Folgenden: streitige Regelung).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 geänderten Fassung (ABl. L 76, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 77/799) erstreckt sich jetzt auch auf die indirekten Steuern.
3 Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 77/799 heißt es:
„Die Praktiken der Steuerhinterziehung und Steuerflucht über die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten hinaus führen zu Haushaltseinnahmeverlusten, verstoßen gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und können Verzerrungen des Kapitalverkehrs und der Wettbewerbsbedingungen bewirken. Sie beeinträchtigen mithin das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes.”
4 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 sieht vor:
„Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erteilen sich nach dieser Richtlinie gegenseitig alle Auskünfte, die für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geeignet sein können. …”
5 Art. 8 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie verpflichtet nicht zu Ermittlungen oder zur Übermittlung von Auskünften, wenn deren Durchführung oder deren Beschaffung oder Verwertung durch die zuständige Behörde des auskunft...