Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigung bei Übergang zu steuerpflichtigen Vermietungsumsätzen, Ausgestaltung des Optionsrechts durch die Mitgliedstaaten, kein Vorsteuerausschluss bei verspätetem Antrag auf Ausübung des Optionsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 20 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Berichtigung der Vorsteuerabzüge bei Investitionsgütern vorzusehen, sofern sich aus seinem Absatz 5 nichts anderes ergibt.
2. Artikel 20 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Berichtigung auch auf einen Sachverhalt Anwendung findet, bei dem ein Investitionsgut zunächst einer steuerbefreiten Tätigkeit zugeordnet war, die kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnete, und dann während des Berichtigungszeitraums für die Zwecke einer der Mehrwertsteuer unterliegenden Tätigkeit verwendet wurde.
3. Artikel 13 Teil C Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der seinen Steuerpflichtigen das Recht auf Option für die Besteuerung der Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie einräumt, nach dieser Bestimmung nicht befugt ist, den Abzug der Mehrwertsteuer für Immobilieninvestitionen, die vor Ausübung des Optionsrechts getätigt worden sind, auszuschließen, wenn der Antrag, mit dem diese Option ausgeübt wird, nicht binnen sechs Monaten ab Ingebrauchnahme dieser Immobilie eingereicht worden ist.
4. Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der seinen Steuerpflichtigen das Recht auf Option für die Besteuerung der Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie einräumt, nach dieser Bestimmung nicht befugt ist, den Abzug der Mehrwertsteuer für Immobilieninvestitionen, die vor Ausübung dieses Optionsrechts getätigt worden sind, auszuschließen, wenn der Antrag, mit dem diese Option ausgeübt wird, nicht binnen sechs Monaten ab Ingebrauchnahme dieser Immobilie eingereicht worden ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 20, 13 Teil C Abs. 2, Art. 17 Abs. 6
Beteiligte
Verfahrensgang
KHO (Finnland) (Entscheidung vom 16.04.2004) |
Tatbestand
„Mehrwertsteuer ‐ Vorsteuerabzug ‐ Investitionsgüter ‐ Immobilien ‐ Berichtigung des Vorsteuerabzugs“
In der Rechtssache C-184/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 16. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2004, in dem auf Antrag von
Uudenkaupungin kaupunki
eingeleiteten Verfahren
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues und E. Levits,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Uudenkaupungin kaupunki, vertreten durch M. Pikkujämsä, asianajaja,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä und E. Bygglin als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström van Lier und I. Koskinen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. September 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 13 Teil C Absatz 2, 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 und 20 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Es betrifft im Wesentlichen die Frage, ob im Licht der Sechsten Richtlinie eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Investitionsgütern in einem Fall zu gewähren ist, in dem eine Immobilie zunächst einer steuerfreien Tätigkeit, später aber einer steuerpflichtigen Tätigkeit zugeordnet wird, wenn die Option im Sinne von Artikel 13 Teil C der Sechsten Richtlinie ausgeübt worden ist.
3
Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsmittels von Uudenkaupungin kaupunki (Stadt Uusikaupunki) gegen eine Entscheidung des Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki), mit der dieses die Klage der Stadt Uusikaupunki gegen zwei Entscheidungen des Lounais-Suomen verovirasto (regionale Steuerbehörde Südwestfinnland) über ihre Anträge auf Be...