Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfen, Vorbehalt der Steuerberatrung für Steuerbeistandszentren, Italien
Leitsatz (amtlich)
1. Die Artikel 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den Steuerbeistandszentren vorbehält.
2. Eine Maßnahme, mit der ein Mitgliedstaat die Zahlung eines vom Staatshaushalt zu tragenden Ausgleichs zugunsten bestimmter Unternehmen vorsieht, die damit betraut sind, den Steuerpflichtigen bei der Erstellung von Steuererklärungen und ihrer Übermittlung an die Finanzverwaltung beizustehen, ist als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG zu qualifizieren, wenn
‐ die Höhe des Ausgleichs über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken, und
‐ der Ausgleich nicht auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.
Normenkette
EGVtr Art. 43, 49
Beteiligte
Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti |
Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl |
Verfahrensgang
Corte d' Appello Milano (Italien) (Urteil vom 15.10.2003; Abl.EU 2004, Nr. C 7/20) |
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Für Unternehmen geltende Wettbewerbsvorschriften ‐ Staatliche Beihilfen ‐ Steuerbeistandszentren ‐ Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen ‐ Ausschließliches Recht ‐ Vergütung dieser Tätigkeiten“
In der Rechtssache C-451/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Corte d’appello Mailand (Italien) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2003, in dem Verfahren
Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl
gegen
Giuseppe Calafiori,
unterstützt durch:
Pubblico Ministero,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, S. von Bahr (Berichterstatter), A. Borg Barthet und U. Lõhmus,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl, vertreten durch F. Capelli und M. Valcada, avvocati,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2005
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4 EG, 10 EG, 82 EG, 86 EG und 98 EG im Bereich Wettbewerb, der Artikel 43 EG, 48 EG und 49 EG in den Bereichen Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr sowie des Artikels 87 EG im Bereich staatliche Beihilfen.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl (im Folgenden: ADC Servizi) und dem Notar Guiseppe Calafiori über dessen Weigerung, den Beschluss der Gesellschafterversammlung von ADC Servizi über eine Änderung ihres Gesellschaftsvertrags im Handelsregister Mailand einzutragen.
Nationaler rechtlicher Rahmen
3 Der nationale rechtliche Rahmen kann, so wie er sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, wie folgt zusammengefasst werden.
4 Nach dem Decreto legislativo Nr. 241 vom 9. Juli 1997, ergänzt durch das Decreto legislativo Nr. 490 vom 28. Dezember 1998 (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 241/97), sind allein die Centri di Assistenza Fiscale (Steuerbeistandszentren, im Folgenden: CAF) berechtigt, bestimmte Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen auszuüben, darunter die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der jährlichen Einkommensteuererklärung der Arbeitnehmer und der ihnen gleichgestellten Personen.
5 Artikel 34 Absatz 4 des Decreto legislativo Nr. 241/97 überträgt den CAF eine ausschließliche Befugnis zur Abwicklung der mit einem vereinfachten Formblatt (Formblatt 730) vorgenommenen Einkommensteuererklärung, darunter die Überlassung einer Kopie der ausgefüllten Erklärung und der Aufstellung über die geschuldete Steuer an den Steuerpflichtigen, die Mitteilung des Ergebnisses der Erklärung an d...