Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbstständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1 ErbStG, Art. 49 (ex Art. 43 EG), Art. 51 (ex Art. 45 EG), Art. 54 (ex Art. 48 EG) AEUV, § 9, § 38, § 101 BWG Österreich
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und betreibt in der Bundesrepublik ein Kreditinstitut mit zahlreichen Zweigstellen; die rechtlich unselbstständige Zweigstelle A befindet sich in Österreich. Für die in der Zweigstelle A geführten Konten erstattete die Klägerin beim Tod eines Kontoinhabers keine Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG an das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige FA.
Die Steuerfahndungsstelle des FA forderte die Klägerin im Jahre 2008 unter Hinweis auf § 33 ErbStG auf, ab dem 1.1.2001 alle von der Zweigstelle A verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 1 ErbStDV vorgesehenen Form anzuzeigen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 25.7.2012, 4 K 2675/09, Haufe-Index 3340010, EFG 2012, 2224).
Entscheidung
Der BFH legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Hinweis
Der dem Vorabentscheidungsgesuch des BFH zugrunde liegende Streitfall ist durchaus bemerkenswert, verweigert hier doch ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer inländischen Anstalt des öffentlichen Rechts (!) für ihre österreichische Zweigstelle die Einhaltung ihrer Anzeigepflicht aus § 33 ErbStG in Bezug auf inländische Erblasser.
1. Durch die Vorlage soll geklärt werden, ob sich die Klägerin gegen die Anzeigepflicht aus § 33 Abs. 1 ErbStG in Bezug auf ihre österreichische Zweigstelle mit der Begründung wehren kann, es liege ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (ex Art. 43 EG) vor.
a) |
Die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit sollen ihrem Wortlaut nach die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern. Doch verbieten diese Regelungen nach der EuGH-Rechtsprechung ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert. |
b) |
Zwar werden durch § 33 Abs. 1 ErbStG alle inländischen Kreditinstitute gleich behandelt. Eine mögliche Behinderung könnte jedoch darin liegen, dass es in Österreich keine vergleichbare Anzeigepflicht gibt. Dort gilt vielmehr ein strafbewehrtes Bankgeheimnis, das auch ein deutsches Kreditinstitut mit Zweigstelle in Österreich zu beachten hat. Nach österreichischem Recht erfordert eine Offenbarung der Verhältnisse des Kunden dessen Zustimmung. Dadurch könnte die Tätigkeit einer ausländischen Zweigstelle in Österreich erschwert und weniger attraktiv sein. |
2. Fraglich ist in einem solchen Fall, ob sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch aus dem Zusammenwirken der Vorschriften des Ansässigkeitsstaats (Deutschland) und des Niederlassungsstaats (Österreich) ergeben kann und welchem Staat diese Beschränkung zuzurechnen ist.
3. Sollte der EuGH die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch § 33 Abs. 1 ErbStG bejahen, stellt sich die spannende Frage nach der Rechtfertigung. Dazu verweist der BFH eindringlich auf die durch § 33 Abs. 1 ErbStG bewirkte Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 1.10.2014 – II R 29/13